Märchen der Aquaristik

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In der Aquar­is­tik haben sich im Laufe der Jahre viele kleine und teils auch große Fehler eingeschlichen, die immer wieder weit­ergegeben wer­den, obwohl sie für die Aquar­ien­be­wohn­er gefährlich und sog­ar lebens­bedrohlich sein kön­nen.

 

Das Aquarium muss eine Woche einlaufen und kann dann mit Fischen besetzt werden

Christina H. - Märchen der Aquaristik (Tröpfchentest)In einem neu ein­gerichteten Beck­en dauert es etwas, bis sich ein biol­o­gis­ches Gle­ichgewicht ein­stellt. Die notwendi­gen Bak­te­rien befind­en sich nicht im Leitungswass­er und müssen sich im Aquar­i­um erst bilden. Durch den bak­teriellen Abbau von abgestor­be­nen Pflanzen­resten und toten Organ­is­men enste­ht Nitrit, eine giftige chemis­che Verbindung aus Stick­stoff und Sauer­stoff. Schon ein Wert von 0,5 mg/l kann zu Vergif­tun­gen führen. Der Nitritwert (NO2) lässt sich mith­il­fe von soge­nan­nten Tröpfchen­tests sehr genau ermit­teln. Das Steigen des Wertes in einem neu ein­gerichteten Beck­en wird auch »Nitrit­peak« genan­nt. Erst wenn der Nitrit­ge­halt wieder auf einen sta­bilen Wert gegen Null abge­sunken ist, kann das Aquar­i­um langsam mit Fis­chen, Gar­ne­len oder anderen Tieren beset­zt wer­den. Der Zeitraum dieses Vor­gangs kann nicht ver­all­ge­mein­ert wer­den, denn jedes Aquar­i­um ist indi­vidu­ell. Auf die vielfach im Han­del ange­bote­nen »Bak­te­rien­starter« sollte verzichtet wer­den, da diese die Ein­laufzeit des Beck­ens je nach Inhalt nur sehr ger­ing bis gar nicht verkürzen.

Fischbesatz – je bunter, desto besser

Wolfgang K - Märchen der Aquaristik (Diskus)Jede Fis­chart besitzt indi­vidu­elle Bedürfnisse, die durch den Pfleger erfüllt wer­den müssen. Lei­der wird der Aquar­ienbe­satz häu­fig nach dem Mot­to »gekauft wird, was gefällt« aus­gewählt. Nicht alle Fis­che har­monieren miteinan­der, einige müssen einzeln, paar­weise oder in größeren Grup­pen gepflegt wer­den. Manche Fis­charten kön­nen auss­chließlich mit Wirbel­losen, wie beispiel­sweise Sch­neck­en, verge­sellschaftet wer­den. Die benötigten Wasser­w­erte und -tem­per­a­turen müssen eben­falls übere­in­stim­men. Beim Beset­zen eines Beck­ens geht es vor­rangig darum, den Tieren einen natur­na­hen Leben­sraum zu schaf­fen und sich mit den Ansprüchen der jew­eili­gen Arten aus­führlich auseinan­derzuset­zen.

Pflanzen dienen nur der Dekoration

Pflanzen werten ein Aquar­i­um nicht nur optisch auf, son­dern sie besitzen viele Eigen­schaften, die sich pos­i­tiv auf das biol­o­gis­che Sys­tem des Aquar­i­ums sowie deren Bewohn­er auswirken. Neben dem optisch ansprechen­den Gesamtein­druck bieten Wasserpflanzen den Fis­chen Schutz und Rück­zugsmöglichkeit­en. Darüber hin­aus dienen die auf den Pflanzen ange­sam­melten Mikroor­gan­is­men vie­len Aquar­ien­be­wohn­ern, beispiel­sweise Gar­ne­len, als Nahrungsquelle. Pflanzen bee­in­flussen die Wasser­w­erte pos­i­tiv, sie bauen manche Schad­stoffe ab und erhöhen den Sauer­stof­fge­halt im Aquar­i­um. Zusät­zlich ver­min­dern sie durch die Auf­nahme von Nährstof­fen das Algenwach­s­tum.

Algen können nur mit Chemie bekämpft werden

Algen­wuchs deutet immer auf ein Ungle­ichgewicht im Aquar­i­um hin. Ursachen kön­nen direk­te Sonnene­in­strahlung oder falsche Beleuch­tung sein. In heimis­chen Aquar­ien kom­men meist Rot‐, Blau‐, Braun‐, Kiesel‐ oder Grü­nal­gen vor. Bevor die Algen bekämpft wer­den, muss die jew­eilige Alge­nart bes­timmt wer­den. Nur so kann her­aus­ge­fun­den wer­den, warum sich die Alge­nart im eige­nen Aquar­i­um so stark aus­bre­it­et und mit welchen Mit­teln sie beseit­igt wer­den kann. Mit dem Beimen­gen von Algen­bekämp­fungsmit­teln wird das Prob­lem zwar kurzzeit­ig bekämpft, die Ursache aber nicht behoben und der gewün­schte Erfolg – ein algen­freies Beck­en – tritt nicht ein.

Schnecken sind kleine Plagegeister

Carina T - Märchen der Aquaristik (blaue posthornschnecke) gespiegeltKaum ein Aquar­i­um­be­wohn­er hat so einen schlecht­en Ruf wie die Sch­necke. Einige Arten, wie Turmdeckel‐ oder Blasen­sch­neck­en, wer­den oft unge­wollt durch Pflanzen oder andere Dinge aus dem Fach­han­del in das eigene Aquar­i­um eingeschleppt. Durch die opti­malen Bedin­gun­gen im Aquar­i­um ver­mehren sich die meis­ten Sch­neck­e­narten zum Lei­d­we­sen des Pflegers sehr schnell. Bere­its durch kleine Verän­derun­gen, wie das Reduzieren der Fut­ter­menge, kann deren Anzahl aber prob­lem­los eindämmt wer­den. Die nüt­zlichen Eigen­schaften von Sch­neck­en, dazu gehören das Fressen von abgestor­be­nen Pflanzen­resten, Algen und Aas sowie das Auflock­ern des Boden­grun­des, wer­den oft unter­schätzt. Nur die wenig­sten Arten ernähren sich von noch leben­den Pflanzen, die meis­ten davon richt­en allerd­ings keinen Schaden im Aquar­i­um an. Auf den Ein­satz von sch­neck­en­fressenden Fis­chen oder Sch­neck­en sowie chemis­chen Mit­teln sollte unbe­d­ingt verzichtet wer­den, da die Fol­gen sehr weitre­ichend sind. So sind sch­neck­en­fressende Arten oft anspruchsvoller als angenom­men, denn auch sie brauchen bes­timmte Wasser­w­erte und Beck­en­größen. Dazu kommt bei vie­len Arten die Fut­ter­spezial­isierung: Sind die Sch­neck­en im Beck­en gefressen, ver­hungern sie, da diese Tiere keine anderen Fut­ter­mit­tel annehmen. Die Chemiekeule wirkt nicht spez­i­fisch genug, um nur überzäh­lige Sch­neck­en zu töten; sie schadet auch anderen, zum Teil sehr nüt­zlichen Mit­be­wohn­ern oder gar dem einge­set­zten Aquar­ienbe­stand selb­st. Wie bere­its erwäh­nt: Sch­neck­en sind nicht nur Plagegeis­ter, son­dern auch kleine Helfer im Ökosys­tem Aquar­i­um.

 

Autor: Christi­na H.
Bilder: Christi­na H. (Tröpfchen­test), Wolf­gang K. (Diskus),
Cari­na T. (blaue Posthorn­sch­necke)

erschienen in TierZeit Aus­gabe 7
15. Dezem­ber 2013

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