Alle Ratten werden zahm und wollen mit dem Menschen kuscheln
Die Bilder in Zeitschriften, Büchern und im Internet suggerieren es: Ratten sind alle extrem menschenbezogen und deshalb das ideale Haustier für jemanden, der ein lebendiges Kuscheltier oder ein Kleintier braucht, mit dem er richtig interagieren und zum Beispiel clickern kann. Jedoch wird häufig vergessen, dass Ratten Lebewesen mit eigenem Charakter sind, und nicht alle werden gern vom Menschen angefasst oder gar gekuschelt. Viel positiver Kontakt zum Menschen in den ersten Lebenswochen ist zwar eine gute Basis für die Entwicklung zum kontaktfreudigen Tier, jedoch hängt es allein vom Charakter des Tieres ab, ob es den Menschen eher als »Monster« oder Kuschelpartner sieht, und auch dazwischen gibt es viele Nuancen. Es ist wichtig, dass der Mensch die Eigenarten seiner Tiere akzeptiert und nicht zu hohe Erwartungen hat, die am Ende nicht erfüllt werden können. Umso schöner ist es dann, wenn man am Ende ein sehr zutrauliches Tier hat. Ratten können prima als Paar gehalten werden
Bei der Beobachtung wilder Wanderratten und ihrem Sozialverhalten zeigt sich die Ratte als sehr soziales Tier, die Beziehungen zu vielen Artgenossen pflegt. Daher ist es nur logisch, dass Einzelhaltung für diese sozialen Nager keine Basis artgerechter Haltung darstellen kann. Doch auch ein Pärchen bietet nicht ausreichend Sozialkontakt. Ratten sind Rudeltiere, die eine Sozialstruktur aufbauen. Gibt es nur ein Alpha‐ und ein Omega‐Tier, so kommt es nicht selten zu ständigen Streitereien oder gar Mobbing zwischen den Tieren. Ideal ist ein Rudel ab mindestens drei Tieren.
Wanderratten sind robuster als die überzüchteten Farbratten
Immer wieder wird behauptet, dass Farbratten, die domestizierte Form der Wanderratte, aufgrund ihres Ursprungs aus dem Labor anfällig für Tumore und andere Krankheiten sind. Die Wanderratte, die zwar häufig nicht sichtbar, aber doch auf der ganzen Welt omnipräsent ist, wird als deutlich robuster angesehen, weshalb es immer wieder Versuche gibt, die gesunden Gene in die Farbrattenpopulationen einzuzüchten. Die Krankenakten von in Gefangenschaft gehaltenen Wildlingen oder Halbwilden – Hybriden aus Wander‐ und Farbratte – weisen keinen Unterschied zu Farbratten auf. Wanderratten und Halbwilde sind in gleichem Maße für dieselben Erkrankungen anfällig wie reine Farbratten; Wanderratten in der Natur erleben aber nur selten das Alter, in dem die Krankengeschichte der Ratten in Gefangenschaft beginnt, weshalb sie innerhalb ihrer Lebensdauer gesünder erscheinen. Solche Zuchtexperimente verbessern die Gesundheit der Tiere nicht. Zudem führen sie dazu, dass die Hybriden dem Menschen gegenüber deutlich scheuer sind und infolgedessen durch die Haltung in Menschenhand unnötig gestresst werden. Aus Tierschutzsicht ist eine solche Hybridisierung abzulehnen.
Ratten mit Mykoplasmose muss man umgehend einschläfern lassen
Mykoplasmen sind zellwandlose Bakterien, die bei Ratten unter anderem eine Ursache für hartnäckige Atemwegserkrankungen sein können. Es ist anzunehmen, dass jede Ratte den Erreger in sich trägt, jedoch kommt es nicht bei jedem Tier zum Ausbruch einer Mykoplasmose. Wenige Antibiotika sind wirksam gegen diese Bakterien und bisher gibt es kein Medikament, das eine Mykoplasmose vollständig heilen kann. Eine Infektion bedeutet allerdings kein sofortiges Todesurteil. In guter tierärztlicher Behandlung ist eine Mykoplasmose beziehungsweise deren Symptome gut in den Griff zu bekommen, jedoch flammt die Infektion häufig bei Stress beispielsweise durch Integrationen oder Erkrankungen erneut auf.
Ratten sind pflegeleichte Tiere für Kinder
Ratten sind dämmerungs‐ und nachtaktive Tiere, die sich oft erst blicken lassen, wenn Kinder schon längst ins Bett gehören. Allerdings wollen sie zu diesen Zeiten auch Auslauf und gestalten nachts gern ihr Gehege lautstark um, weshalb vor allem Kleinkinder von Ratten in ihrem Zimmer nur eines haben: schlaflose Nächte. Zudem erfordert die Pflege von Tieren ein enormes Maß an Verantwortung, das kein Kind alleine tragen kann. Rattenhaltung sollte immer von den Eltern ausgehen und den Bedürfnissen der Tiere entsprechen. Ratten sind kein Spielzeug, das sich am Tag auf Wunsch des Kindes aus seinem Nest ziehen lässt. Dies stresst die Tiere unnötig, was das Immunsystem schwächen und Aggressivität verursachen kann. Zudem sind Ratten recht krankheitsanfällig, wodurch sehr teure Tierarztbesuche notwendig werden können. Für diese Kosten kann kein Kind allein aufkommen.
Autor: Alex S.
Bilder: Alex S.
erschienen in TierZeit Ausgabe 6
11. August 2013