Märchen der Rattenhaltung

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Alle Ratten werden zahm und wollen mit dem Menschen kuscheln

Alex S - Märchen der Rattenhaltung (1)Die Bilder in Zeitschriften, Büch­ern und im Inter­net sug­gerieren es: Rat­ten sind alle extrem men­schen­be­zo­gen und deshalb das ide­ale Hausti­er für jeman­den, der ein lebendi­ges Kuschelti­er oder ein Klein­tier braucht, mit dem er richtig inter­agieren und zum Beispiel click­ern kann. Jedoch wird häu­fig vergessen, dass Rat­ten Lebe­we­sen mit eigen­em Charak­ter sind, und nicht alle wer­den gern vom Men­schen ange­fasst oder gar gekuschelt. Viel pos­i­tiv­er Kon­takt zum Men­schen in den ersten Lebenswochen ist zwar eine gute Basis für die Entwick­lung zum kon­tak­t­freudi­gen Tier, jedoch hängt es allein vom Charak­ter des Tieres ab, ob es den Men­schen eher als »Mon­ster« oder Kuschel­part­ner sieht, und auch dazwis­chen gibt es viele Nuan­cen. Es ist wichtig, dass der Men­sch die Eige­narten sein­er Tiere akzep­tiert und nicht zu hohe Erwartun­gen hat, die am Ende nicht erfüllt wer­den kön­nen. Umso schön­er ist es dann, wenn man am Ende ein sehr zutraulich­es Tier hat. Rat­ten kön­nen pri­ma als Paar gehal­ten wer­den

Bei der Beobach­tung wilder Wan­der­rat­ten und ihrem Sozialver­hal­ten zeigt sich die Rat­te als sehr soziales Tier, die Beziehun­gen zu vie­len Artgenossen pflegt. Daher ist es nur logisch, dass Einzel­hal­tung für diese sozialen Nag­er keine Basis art­gerechter Hal­tung darstellen kann. Doch auch ein Pärchen bietet nicht aus­re­ichend Sozialkon­takt. Rat­ten sind Rudeltiere, die eine Sozial­struk­tur auf­bauen. Gibt es nur ein Alpha‐ und ein Omega‐Tier, so kommt es nicht sel­ten zu ständi­gen Stre­it­ereien oder gar Mob­bing zwis­chen den Tieren. Ide­al ist ein Rudel ab min­destens drei Tieren.

Wanderratten sind robuster als die überzüchteten Farbratten

Immer wieder wird behauptet, dass Far­brat­ten, die domes­tizierte Form der Wan­der­rat­te, auf­grund ihres Ursprungs aus dem Labor anfäl­lig für Tumore und andere Krankheit­en sind. Die Wan­der­rat­te, die zwar häu­fig nicht sicht­bar, aber doch auf der ganzen Welt omnipräsent ist, wird als deut­lich robuster ange­se­hen, weshalb es immer wieder Ver­suche gibt, die gesun­den Gene in die Far­brat­ten­pop­u­la­tio­nen einzuzücht­en. Die Kranke­nak­ten von in Gefan­gen­schaft gehal­te­nen Wildlin­gen oder Halb­wilden – Hybri­den aus Wander‐ und Far­brat­te – weisen keinen Unter­schied zu Far­brat­ten auf. Wan­der­rat­ten und Halb­wilde sind in gle­ichem Maße für diesel­ben Erkrankun­gen anfäl­lig wie reine Far­brat­ten; Wan­der­rat­ten in der Natur erleben aber nur sel­ten das Alter, in dem die Krankengeschichte der Rat­ten in Gefan­gen­schaft begin­nt, weshalb sie inner­halb ihrer Lebens­dauer gesün­der erscheinen. Solche Zuch­t­ex­per­i­mente verbessern die Gesund­heit der Tiere nicht. Zudem führen sie dazu, dass die Hybri­den dem Men­schen gegenüber deut­lich scheuer sind und infolgedessen durch die Hal­tung in Men­schen­hand unnötig gestresst wer­den. Aus Tier­schutzsicht ist eine solche Hybri­disierung abzulehnen.

Ratten mit Mykoplasmose muss man umgehend einschläfern lassen

OLYMPUS DIGITAL CAMERAMyko­plas­men sind zell­wand­lose Bak­te­rien, die bei Rat­ten unter anderem eine Ursache für hart­näck­ige Atemwegserkrankun­gen sein kön­nen. Es ist anzunehmen, dass jede Rat­te den Erreger in sich trägt, jedoch kommt es nicht bei jedem Tier zum Aus­bruch ein­er Myko­plas­mose. Wenige Antibi­oti­ka sind wirk­sam gegen diese Bak­te­rien und bish­er gibt es kein Medika­ment, das eine Myko­plas­mose voll­ständig heilen kann. Eine Infek­tion bedeutet allerd­ings kein sofor­tiges Todesurteil. In guter tierärztlich­er Behand­lung ist eine Myko­plas­mose beziehungsweise deren Symp­tome gut in den Griff zu bekom­men, jedoch flammt die Infek­tion häu­fig bei Stress beispiel­sweise durch Inte­gra­tio­nen oder Erkrankun­gen erneut auf.

Ratten sind pflegeleichte Tiere für Kinder

Rat­ten sind dämmerungs‐ und nach­tak­tive Tiere, die sich oft erst blick­en lassen, wenn Kinder schon längst ins Bett gehören. Allerd­ings wollen sie zu diesen Zeit­en auch Aus­lauf und gestal­ten nachts gern ihr Gehege laut­stark um, weshalb vor allem Kleinkinder von Rat­ten in ihrem Zim­mer nur eines haben: schlaflose Nächte. Zudem erfordert die Pflege von Tieren ein enormes Maß an Ver­ant­wor­tung, das kein Kind alleine tra­gen kann. Rat­ten­hal­tung sollte immer von den Eltern aus­ge­hen und den Bedürfnis­sen der Tiere entsprechen. Rat­ten sind kein Spielzeug, das sich am Tag auf Wun­sch des Kindes aus seinem Nest ziehen lässt. Dies stresst die Tiere unnötig, was das Immun­sys­tem schwächen und Aggres­siv­ität verur­sachen kann. Zudem sind Rat­ten recht krankheit­san­fäl­lig, wodurch sehr teure Tier­arztbe­suche notwendig wer­den kön­nen. Für diese Kosten kann kein Kind allein aufkom­men.  

 

Autor: Alex S.
Bilder: Alex S.

erschienen in TierZeit Aus­gabe 6
11. August 2013

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