Funktionen und Farben des Federkleides
Was macht den Vogel zum Vogel? Was unterscheidet ihn von allen anderen Tieren? Die scheinbar naheliegendste Antwort ist das Fliegen, doch flugunfähige Vögel wie Pinguin, Strauß oder Kiwi beweisen das Gegenteil. Außerdem können auch Fledermäuse und eine Vielzahl von Insekten fliegen. Was den Vogel wirklich zum Vogel macht, ist sein Gefieder. Keine andere Tiergruppe unseres Planeten hat Federn. Sie sind es, die den Vögeln jeden Teil der Erde zugänglich gemacht haben.

Federn bestehen wie Haare aus Hornsubstanz. Es gibt mehrere Arten von Federn, die verschiedene Funktionen haben und dementsprechend unterschiedlich aufgebaut sind. Sie lassen sich grob unterteilen in Kontur‐ und Daunenfedern. Zu den Konturfedern gehören die Schwungfedern der Flügel sowie die Steuerfedern des Schwanzes, außerdem die Deckfedern an Flügel, Schwanz und Rumpf. Sie bestehen aus einem soliden, hohlen Federkiel, von dem untereinander verhakte Federäste abzweigen. Die Stabilität einer Feder kommt erst durch die sogenannten Bogen‐ und Hakenstrahlen zustande, die dank kleiner Häkchen die Federäste zusammenhalten. Die Federäste wiederum bilden eine innere und eine äußere Fahne. Die Federn überlappen einander, indem die Außenfahne einer Feder die Innenfahne der benachbarten bedeckt. So entsteht ein glatt anliegendes und dichtes Außengefieder, welches den Luftwiderstand während des Fliegens vermindert und vor äußeren Umwelteinflüssen schützt. Die Daunen bilden das Unterkleid der Vögel. Es sind kleine, pinselartige Federn, deren Federäste nicht verhakt sind. Sie sind daher weich und extrem elastisch. So halten sie die Körperwärme des Vogels und sorgen für eine wämende Luftschicht zwischen Körper und Deckfedern. Diesen Effekt machen wir uns gern zunutze: Kopfkissen, Bettdecken und Winterjacken mit Daunenfüllung halten schön warm.
Zur Gefiederpflege haben manche Vögel sogenannte Puderdunen, welche ständig nachwachsen und an der Spitze zu einem feinen Staub zerfallen. Einige Papageien und Reiher gehören zu den Vögeln, die ihr Gefieder nicht mit einem Sekret aus der Bürzeldrüse einfetten, sondern eben diesen Gefiederstaub nutzen. Neben den genannten Federarten haben Vögel noch einige Zusatzfedern, die spezielle Funktionen erfüllen. Mit Strahlenfedern, die unter dem Daunengefieder sitzen, spürt ein Vogel die Lage und Position seines Gefieders. Jede einzelne Feder kann mithilfe kleiner Muskeln bewegt werden. Dies ist beispielsweise wichtig zum Aufplustern, wobei eine wärmende Luftschicht zwischen Körper und Gefieder entsteht. Es gibt außerdem Tastfedern, die bei einigen Vögeln die Schnurrhaare ersetzen, sowie Schmuckfedern. Letztere haben oft außergewöhnliche Formen und werden hauptsächlich zur Balz eingesetzt.
Die Färbung des Federkleides spielt eine entscheidende Rolle. So tarnen die Weibchen vieler Vogelarten sich und ihre Brut mit unauffälligen Braun‐ und Grautönen. Das Gefieder von Nestflüchtern, zum Beispiel Entenküken, ahmt das Spiel von Licht und Schatten nach, so wie es auch bei der Fellfärbung von Frischlingen und Rehkitzen der Fall ist. Die Männchen hingegen schmücken sich zur Balzzeit oft mit stärkeren Kontrasten und prächtigeren Farben, um potenzielle Partnerinnen zu beeindrucken. Sämtliche Farben entstehen erst durch eine spektrale Aufspaltung des Lichts. Dafür sind Pigmente und kleinste Strukturen in der Feder verantwortlich, wobei Pigmentfarben und Strukturfarben unterschieden werden. Pigmente absorbieren und reflektieren bestimmte Wellenlängen des Lichts, die Strukturen hingegen brechen sie. Melanine, welche auch die Haare von Mensch und Tier färben, erzeugen braune und schwarze Töne und sind die Grundlage für weitere Farben. Fehlt einem Vogel Melanin, erscheint er weiß. Daneben sorgen über die Nahrung aufgenommene Carotinoide für gelbe bis rote Farben. Blaue, grüne und schillernde Farbtöne werden jedoch durch Lichtbrechungen an extrem kleinen Strukturen der Federn hervorgerufen. Schillernde Farben entstehen nicht, wie andere Strukturfarben, an den Federästen, sondern an winzigen, regelmäßig angeordneten Lamellen an den Seitenstrahlen. Dadurch überlagern sich mehrere Lichtwellen, es kommt zu Interferenzen und die Feder schimmert je nach Betrachtungswinkel in unterschiedlichen Farben. Dies ist zum Beispiel im Nackengefieder von Stadttauben der Fall.
Die Feder hat es den Vögeln ermöglicht, die ganze Welt zu besiedeln. Mit über 10 000 bekannten Arten bilden Vögel eine der vielfältigsten Klassen der Wirbeltiere. Sie kommen auf allen Kontinenten vor und brüten sowohl im eisigen Inland der Antarktis als auch in der tropischen Hitze am Äquator. Sie leben nicht nur an Land, sondern auch im Wasser und in der Luft. All das dank ihrer Federn, die sie schützen, wärmen, tarnen, schmücken und des Fliegens bemächtigen.
Autor: Laura E.
Bilder: Laura E. (weißer Pfau), Carina T. (Mikroskopaufnahme Schwungfeder)
erschienen in TierZeit Ausgabe 6
11. August 2013