Der »Süße Schmerz« als häufige allergische Reaktion
Viele Pferdehalter kennen das Problem Sommerekzem: Das Pferd scheuert sich regelmäßig zu Beginn der warmen Jahreszeit an allen erreichbaren Stellen und fügt sich dabei selbst schwere Verletzungen zu.
Besonders Mähne und Kruppe sind häufig davon betroffen, von Mähne und Schweifrübe sind dann manchmal nur noch Restansätze zu erahnen. Konkrete Symptome des Sommerekzems sind gelblich‐graue Stellen von fünf bis 150 Millimeter Durchmesser, die meist verkrusten, da sie nicht nur aufgescheuert, sondern auch aufgebissen werden.
Der ständige Juckreiz und offene Wunden als Begleiterscheinung sind für die Pferde höchst schmerzvoll und müssen behandelt werden. Zudem werden gesunde Pferde durch die ständige Unruhe des betroffenen Pferdes – »Ekzemer« genannt – beeinflusst. Sie können zwar nicht angesteckt werden, da das Ekzem eine allergische Reaktion ist, jedoch können sie durch das ständige Kratzen massiv in ihren normalen Verhaltensabläufen gestört werden. Es wird vermutet, dass Ekzemer bei der gegenseitigen sozialen Körperpflege zu grob werden, da sie Schmerzimpulse nicht mehr richtig einschätzen können. Eine Trennung von den Artgenossen ist durch den dadurch entstehenden Stress jedoch nicht ratsam.
Als Ursache für diese mehr als unangenehme Erkrankung wird eine allergische Reaktion auf die Stiche von unterschiedlichen Stechmückenarten angenommen. Diese zur Gattung Culicoides gehörenden Insekten sind hauptsächlich zwischen März und Oktober in den Morgen‐ und Abendstunden aktiv. Sie vermehren sich hauptsächlich an feuchten Stellen, Moorböden und unter Baumrinden. Eine Umsiedelung des »Ekzemers« in Meeresnähe oder in Gebiete, die mehr als 800 Meter über dem Meeresspiegel liegen, können für eine Verbesserung sorgen.
Das Sommerekzem ist weltweit bekannt. So wird es beispielsweise in Japan »Kasen« genannt, in Australien »Queensland Itch«. Die genaue Ursache ist aber nach wie vor unklar. Es könnte auch eine genetische Disposition (Veranlagung) dafür verantwortlich sein. Von einer Allergie gegen die Stiche der Mücken geht der Großteil der Fachliteratur aus, jedoch gibt es weitere Faktoren, die ebenfalls berücksichtigt werden sollten, da sie zu einer Verschlimmerung führen können. Dazu gehören eiweißreiche Nahrung, starke Sonneneinstrahlung, Verdauungsprobleme und mangelnde Bewegung. Weitere allergische Reaktionen können die Entstehung oder den Verlauf des Sommerekzems ebenfalls beeinflussen.
Die Symptome bleiben dem Pferd lebenslang erhalten und können lediglich gelindert werden. Methoden zur Linderung gibt es inzwischen sehr viele, über Hausmittel bis hin zu klassisch‐veterinärmedizinischen Behandlungen. Hierbei wird entweder symptomorientiert oder nach einem ganzheitlichen Ansatz behandelt. Bei Letzerem wird inzwischen vermehrt auf die Homöopathie zurückgegriffen. Kurzfristige Linderung im Sinne der klassisch‐veterinärmedizinischen Behandlung kann durch die Gabe von Cortison erreicht werden. Dies stellt jedoch nur selten eine langfristige Option dar, da Cortison den Organismus massiv belastet und ein Gewöhnungseffekt einsetzt, der zur Folge hat, dass die Dosen in immer kürzeren Abständen erhöht werden müssen.
Bei einigen Maßnahmen herrscht allerdings Einigkeit über die lindernde Wirkung: magere Koppeln, offene und windige Weiden, keine Gewässer in der Nähe, geschlossener/sauberer Stall, Rückzugsorte in den Dämmerungszeiten, Fliegendecken, möglichst viel Bewegung und bedarfsgerechte Fütterung.
Zahlen über betroffene Pferde oder Erfolg versprechende Behandlungsansätze gibt es nur wenige. Flächendeckende Studien zu diesem Bereich konnten bisher noch nicht zufriedenstellend durchgeführt werden, da keine gemeinsame Datenbank zu dieser speziellen Form der Allergie existiert. Erste Ansätze diesbezüglich gehen beispielsweise vom Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung und der Klinik für Pferde der Tierärztlichen Hochschule Hannover aus, die sich in einer Studie mit der Vererbung des Sommerekzems bei Islandpferden befassen. Islandpferde gehören zu einer besonders häufig betroffenen Rasse.
Insgesamt gesehen gibt es keine einheitliche Behandlungsmethode für »Ekzemer«. In Absprache mit dem behandelnden Tierarzt muss eine individuelle Versorgung des betroffenen Pferdes erarbeitet werden.
Autor: Lisa P.
Bild: Alex S.
erschienen in TierZeit Ausgabe 7
15. Dezember 2013