Der MDR1‐Gendefekt

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Vererbbare Medikamentenunverträglichkeit beim Hund

Beim MDR1‐Defekt han­delt es sich um eine vererb­bare Gen­mu­ta­tion, die zu ein­er Medika­mente­nun­verträglichkeit führt. Betrof­fene Hunde reagieren auf üblicher­weise harm­lose Medika­mente wie Wur­m­mit­tel mit schw­eren bis tödlichen Vergif­tungser­schei­n­un­gen. Inzwis­chen ist es dank eines ein­fachen Bluttests aber kein Prob­lem mehr, den MDR1‐Status eines Hun­des ermit­teln zu lassen und entsprechende Ersatzprä­parate zu ver­wen­den, die für Hunde mit diesem Defekt unbe­den­klich sind.

Katharina K - MDR 1 GendefektDer MDR1‐Gendefekt ist vererb­bar und beein­trächtigt die Schutz­funk­tion der Blut‐Hirn‐Schranke. Diese stellt eine Bar­riere zwis­chen Blutkreis­lauf und zen­tralem Ner­ven­sys­tem dar, welche ver­hin­dert, dass im Blut zirkulierende schädliche Stoffe wie Krankheit­ser­reger und Tox­ine ins Gehirn gelan­gen. Die Bar­riere beste­ht vor­wiegend aus Zellen am Inneren der Blut­ge­fäße, auf deren Ober­fläche Trans­port­pro­teine die schädlichen Stoffe her­aus­fil­tern und in den Blutkreis­lauf zurück­führen. Eines dieser Trans­port­pro­teine ist das MDR1‐Protein (Multidrug‐Resistance‐Protein 1), welch­es durch das zuge­hörige MDR1‐Gen kodiert wird. Ist dieses Gen defekt, kann das MDR1‐Protein nicht richtig gebildet wer­den – die schädlichen Sub­stanzen drin­gen unge­hin­dert in das Gehirn, aber auch in andere Organe wie Leber und Nieren, ein. Bei Gabe eines falschen Medika­ments kommt es zur Vergif­tung, die sich meist durch Erbrechen, Durch­fall, Zit­tern, Des­ori­en­tiertheit sowie Koordinations‐ und Bewe­gungsstörun­gen äußert und tödlich enden kann.

Seit vie­len Jahren ist bekan­nt, dass einige Rassen eine erhöhte Ver­an­la­gung besitzen, von dieser Medika­mente­nun­verträglichkeit betrof­fen zu sein. Im Jahr 2003 begann eine Gruppe der Justus‐Liebig‐Universität in Gießen, diese ver­stärk­te Reak­tion zu erforschen. Von diesem Zeit­punkt an hat­te das »Kind« einen Namen: MDR1‐Gendefekt. In Gießen wurde außer­dem eine Meth­ode entwick­elt, mit­tels Bluttest den MDR1‐Status festzustellen. Es wer­den drei unter­schiedliche Geno­typen unter­schieden: homozy­got (reiner­big), het­erozy­got (mis­cher­big) und nicht betrof­fen. Homozy­got bedeutet, das Tier ist von dem Defekt betrof­fen und kann ihn vererben. Dieser Sta­tus wird mit -/‐ gekennze­ich­net. Het­erozy­gote Tiere sind Träger des Defek­ts und kön­nen ihn vererben, müssen aber nicht zwangsläu­fig Symp­tome zeigen. Dieser Sta­tus wird mit +/‐ gekennze­ich­net. Nicht betrof­fene Tiere erhal­ten den Sta­tus +/+, sie kön­nen den Defekt nicht vererben.

Einige Züchter lassen ihre Zucht­tiere seit Jahren testen, um Ver­paarun­gen mit homozy­goten Tieren zu ver­mei­den. Oft wer­den auch die Welpen getestet, wenn der Sta­tus der Eltern­tiere unklar oder ein Eltern­tier het­erozy­got­er Träger ist. Welpenkäufer soll­ten den MDR1‐Status bei betrof­fe­nen Rassen in jedem Fall erfra­gen.

Betroffene Rassen

Cindy H - MDR 1 GendefektBeson­ders Hüte­hun­drassen sind von diesem Gen­de­fekt betrof­fen. Dazu zählen vor allem Col­lies und ihre Vari­a­tio­nen wie Lang‐ und Kurzhaar­col­lies, sel­tener auch der Bor­der Col­lie sowie der Beard­ed Col­lie. Eben­so tra­gen der Shet­land Sheep­dog (Sheltie), der (Miniatur) Aus­tralian Shep­herd, der Weiße Schweiz­er Schäfer­hund, der Eng­lish Shep­herd, der Bob­tail (Old Eng­lish Sheep­dog), der Wäller, der Silken Wind­hound, der Langhaar‐Whippet und der McNab das defek­te Gen. Beim Kurzhaar­col­lie sind 68 Prozent der Hunde betrof­fen, beim Lang­haar­col­lie 55 bis 57 Prozent. Beim Bor­der Col­lie sind es »nur« ein bis zwei Prozent. Hüte­hund­mis­chlinge tra­gen den Defekt mit ein­er Wahrschein­lichkeit von sechs bis sieben Prozent, Mis­chlinge ander­er Rassen mit ein­er Wahrschein­lichkeit von zwei bis sieben Prozent. Ein MDR1‐Test sollte bei diesen Rassen in jedem Fall erfol­gen und der Sta­tus dem behan­del­nden Tier­arzt mit­geteilt wer­den. Hat ein Hund den MDR1‐Status -/‐ ist es wahrschein­lich, dass er auf ver­schiedene Medika­mente mit schw­eren Neben­wirkun­gen reagiert. Beson­ders vom Antipar­a­sitikum Iver­mectin ist bekan­nt, dass es bei betrof­fe­nen Hun­den zen­tral­nervöse Neben­wirkun­gen aus­lösen kann. Glück­licher­weise gibt es für die kri­tis­chen Arzneistoffe zuge­lassene Ersatzprä­parate, die ein Tier­arzt bei MDR1‐betroffenen Hun­den ein­set­zen kann. Abge­se­hen von der Unverträglichkeit bes­timmter Medika­mente führen Hunde mit MDR1‐Defekt aber ein ganz nor­males Leben. Sie weisen wed­er eine kürzere Lebenser­wartung auf, noch sind andere Ein­schränkun­gen in Verbindung mit dem Gen­de­fekt bekan­nt.

Die wichtigsten unverträglichen Wirkstoffe

Beson­ders kri­tisch bei MDR1‐Tieren sind die Antipar­a­siti­ka Iver­mectin, Doramectin und Mox­idectin sowie das Durch­fallmit­tel Lop­eramid. Iver­mectin – ein Wur­m­mit­tel für Pferde – kann bere­its bei Auf­nahme eines damit ver­set­zten Pfer­deapfels gefährlich für einen MDR1‐Hund sein. Eine Liste der kri­tis­chen Medika­mente ist auf der Home­page der Uniklinik Gießen unter dem Insti­tut für Phar­makolo­gie und Toxikolo­gie zu find­en.

Autor: Cindy H.
Bilder: Katha­ri­na K. (Aus­tralian Shep­herds), Cindy H. (Lang­haar­col­lie)

erschienen in TierZeit Aus­gabe 9
24. August 2014

 

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