Ein kleiner Fisch mit großer medizinischer Wirkung
Die Rötliche Saugbarbe (Garra rufa) hat sehr viele Namen, beispielsweise »Knabberfisch« oder im Englischen »doctor fish«. Diese Bezeichnungen verdankt sie ihrer Eigenart, abgestorbene Haut zu fressen und dem daraus resultierenden Einsatz zur Therapie von Hautkrankheiten. Warum aber eignet sich der kleine Fisch so gut dafür?
Die Rötliche Saugbarbe ist ein bis zu 14 Zentimeter großer Schwarmfisch aus der Familie der Karpfenfische (Cyprinidae). Ihr natürliches Verbreitungsgebiet umfasst die Flüsse Jordan, Orontes, Euphrat und Tigris sowie einige Küstenflüsse in Nordsyrien und im Süden der Türkei. Dort lebt sie in Bodennähe in nährstoffarmem, sauerstoffreichem und rund 30 °C warmem Wasser mit geringem Pflanzenwuchs. Mangels Verstecken ist der kleine Fisch nicht sehr scheu. Die Rötliche Saugbarbe ernährt sich hauptsächlich von Plankton, Algen und abgestorbenem organischem Material, unter anderem von Hautschuppen. Um an diese Nahrung heranzukommen, nähert sie sich potenziellen Nahrungslieferanten und »beknabbert« sie mit ihren Lippen. Die Einwohner, die mit dem »Knabberfisch« in Berührung kamen, erkannten die positive Wirkung dieser Hautpflege schnell. Besonders bekannt wurde die Rötliche Saugbarbe im Kangal, denn dort lebt sie in Thermalquellen, welchen eine heilende Wirkung zugesprochen wird. Daher ist die Rötliche Saugbarbe auch als »Kangalfisch« bekannt. Mittlerweile wird sie in Europa, Amerika und Asien zu therapeutischen Zwecken gehalten.
Die Rötliche Saugbarbe wird unter anderem bei Neurodermitis, Psoriasis (Schuppenflechte), Ekzemen und Akne eingesetzt. Durch Anstupsen, Massieren und Saugen entfernt der kleine Karpfenfisch abgestorbene Haut sowie Hautschuppen und legt so die gesunde Haut darunter frei. Dadurch werden ein trockenes Haut‐ und Spannungsgefühl sowie Juckreiz vermindert. Zudem soll der Speichel der Fische Dithranol enthalten, welches entzündungshemmende Eigenschaften hat und als Wirkstoff gegen Schuppenflechte eingesetzt wird. Da die Saugbarben aber keine Zähne haben, ist fragwürdig, inwiefern die Tiere ihren Speichel überhaupt in die menschliche Haut injizieren können. In Deutschland wurde die Therapie 2001 eingeführt, doch die Meinungen über die medizinische Wirkung des Fisches sind geteilt. Zum einen finden sich viele positive Erfahrungsberichte, die eine regelrechte Wunderheilung durch die Fische beschreiben. Daneben stellen sich jedoch Hygienefragen und es ist noch nicht erwiesen, ob die Fische Krankheiten von Mensch zu Mensch übertragen oder selbst gesundheitliche Schäden davon tragen können. Rechtlich werden die Tiere ähnlich wie Blutegel als Arzneimittel angesehen. Für ihre Anwendung muss im medizinischen Fall eine Heilpraktikererlaubnis vorliegen.
In der Kosmetikbranche ebenso wie im Tourismus wird die Rötliche Saugbarbe in sogenannten »Fish Spas« zur Fußpflege und zur Maniküre angeboten. Dort ist ihre Hauptaufgabe, überschüssige Hornhaut zu entfernen. Der kosmetische Einsatz ist in Deutschland von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt und in einigen Regionen eingeschränkt oder verboten, da es keinen einheitlichen Beschluss gibt, ob diese Art der Nutzung der Fische gegen das Tierschutzgesetz verstößt.
Autor: Laura E.
Bild: Laura E.
erschienen in TierZeit Ausgabe 8
27. April 2014