Die letzten Wildpferde Deutschlands
Als Herzog Alfred von Croÿ im Jahr 1845 den letzten Wildpferden auf seinem Grundbesitz in Dülmen ein Reservat einrichtete, waren sie unmittelbar vom Aussterben bedroht. Seit Februar 1994 steht das Dülmener Pferd auf der roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen und ist dort als extrem gefährdet eingestuft. Es wurde von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) zur »Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres« 2014 erklärt.
Auf der Wildpferdebahn im Merfelder Bruch, einem rund 350 Hektar großen Naturschutzgebiet im Westfälischen Dülmen, leben derzeit circa 300 Dülmener Wildpferde. Die Tiere leben das ganze Jahr fast ohne menschliche Eingriffe in dem weitläufigen Moor‐ und Heidegebiet. Das abwechslungsreiche Gelände mit seinen weitläufigen Wiesenflächen bietet den Tieren ausreichend Nahrung. Schutz vor Regen und Schnee finden die Dülmener in den Wäldern und ihr dickes Winterfell schützt sie vor Kälte. Nur in strengen Wintern werden sie mit Heu versorgt. Bei Geburten und Krankheiten sind die Tiere sich selbst überlassen. Durch diese Bedingungen ist aus dem Dülmener eine der härtesten und widerstandsfähigsten Pferderassen geworden.
Das Dülmener Pferd zählt zu den ältesten deutschen Pferderassen. Die Fellfarbe ist meist braun oder graufalben. Sehr typisch ist der von der Mähne bis zum Schweif reichende Aalstrich und die dunkel gestreiften Beine. Diese auffälligen Merkmale stammen von verschiedenen, teils zufällig eingekreuzten Rassen wie Tarpan, Przewalskipferd, Huzulen, Koniks oder Exmoorpony. Die letzten Jahre wurden ausschließlich graufalbe Hengste eingekreuzt. Das Stockmaß liegt bei 125 bis 135 Zentimetern. Die Tiere besitzen einen sehr ausgeprägten Behang an Mähne, Schweif und Fesseln.
Um die Rasse möglichst stabil und unverändert zu erhalten, werden seit 1907 jedes Jahr am letzten Samstag im Mai die einjährigen Hengste aus der Herde heraus gefangen. Nur ein Deckhengst bleibt bis zum Herbst in der Herde zurück. Dies soll die natürliche Auslese ersetzen und Inzucht und Rangkämpfe verhindern. Unter dem Namen »Wildpferdefang im Merfelder Bruch« ist aus der Tradition mittlerweile eine große Veranstaltung geworden, die nicht nur von Einheimischen besucht wird, sondern auch viele Besucher aus allen Teilen des Landes anlockt. Die gefangenen Hengste werden gechipt um sie ihr Leben lang als »Dülmener Wildpferd des Herzogs von Croÿ identifizieren zu können, und anschließend versteigert.
Innerhalb kurzer Zeit verlieren die einjährigen Hengste bei artgerechter Haltung und liebevoller Pflege ihre Scheu und fassen Vertrauen. Früher wurden die robusten Dülmener oft als Grubenponys unter der Erde eingesetzt. Heutzutage werden sie aufgrund ihres gutmütigen Charakters und ihrer Klugheit als Reitponys für Kinder und Jugendliche oder als Kutschwagenpferde eingesetzt.
Autor: Christina H.
Bild: Steffi F.
erschienen in TierZeit Ausgabe 9
24. August 2014