Ein notwendiger Eingriff oder gar Tierquälerei?
Das Thema »Kastration bei Katzen« polarisiert, ganz klar. Einige Männer leiden regelrecht darunter, den Katern ihre Männlichkeit zu nehmen und manche Menschen sind überzeugt davon, dass eine weibliche Katze einmal die Freuden einer Mutterschaft erleben sollte. Tierschützer dagegen setzen sich klar für eine allgemeine Kastrationspflicht ein. Was ist tatsächlich empfehlenswert?
Die in der Einleitung aufgeführten vermeintlichen Vorteile sind leider die einzigen, die bei einer Nicht‐Kastration genannt werden können. Die Nachteile überwiegen bei Weitem.
• Unkastrierte Katzen, egal ob Kater oder Katze, neigen zum Markieren. Viele Menschen denken immer noch, dass nur Kater markieren können, das entspricht aber nicht der Wahrheit!
• Nicht nur für die rollige Katze selbst bedeutet dieser Zustand puren Stress, auch ein potenter Kater leidet darunter. Die Tiere stehen dauerhaft »unter Druck« und gerade Kater im Freigang bringen sich oft durch ihr Verhalten in größere Gefahr. Sie tragen beispielsweise Revierkämpfe aus oder legen große Strecken zurück, um eine willige Katzendame zu finden, was ihr Unfallrisiko erheblich erhöht.
• Ohne eine Deckung während der Rolligkeit kann es bei der Katze zu einer Dauerrolligkeit kommen. Abgesehen vom Stress kann dies Entzündungen und die Bildung von Zysten und Krebsgeschwüren in der Gebärmutter begünstigen.
• Das Infektionsrisiko bei einer Deckung sollte nicht außer Acht gelassen werden: Es können Geschlechtskrankheiten, (tödliche) Infektionskrankheiten und Parasiten übertragen werden.
Die Risiken bei der Trächtigkeit und der Geburt sind für eine Katze nicht unerheblich. Auch in der Natur läuft nicht immer alles reibungslos ab.
• Der Deckakt ist für eine Katze kein freudiges Ereignis, sondern äußerst schmerzhaft und ebenfalls mit einem Verletzungsrisiko verbunden (Widerhaken am Penis des Katers).
In Anbetracht dieser Nachteile sollte klar sein, dass eine Kastration sowohl für Katzen als auch für Kater, die nicht zur Zucht eingesetzt werden, der richtige Weg ist, um ihnen ein harmonisches und ausgeglichenes Leben zu ermöglichen.
Aber wann ist der richtige Zeitpunkt für die Kastration? Generell können Katzen und auch Kater ab der 8. Woche kastriert werden, was landläufig als »Frühkastration« bezeichnet wird. Genau genommen findet eine Frühkastration aber genau dann statt, wenn sie vor der Geschlechtsreife durchgeführt wird. Diese erlangen Katzen in der Regel zwischen dem 4. und 12. Lebensmonat, sodass mittlerweile zumindest häufig zu einer Kastration mit vier bis fünf Monaten geraten wird. Es führt nicht jeder Tierarzt eine Kastration in sehr jungem Alter durch. Manchen fehlt dazu das Fachwissen, anderen wiederum fehlt schlicht die Erfahrung bei so jungen Tieren, bei denen ja doch alles sehr viel kleiner ist.
Für die Katzen ist es aber umso vorteilhafter, je früher die Kastration stattfindet, wie mehrere Langzeitstudien mittlerweile belegen. Die Operation verläuft in der Regel kürzer, weil noch kein Fettgewebe die Keimdrüsen überlagert, wodurch sich weitere Vorteile ergeben: Weniger Komplikationen, weniger Blutungen und eine kürzere Erholungszeit, weil das Tier nicht so lange in Narkose liegen muss. Auch das Krebsrisiko sinkt, weil die Katze noch gar nicht durch Hormone belastet wurde. Auf die körperliche und geistige Entwicklung hat die Frühkastration keine Auswirkungen, kastrierte Tiere scheinen sogar größer zu werden. Eine höhere Anfälligkeit für Krankheiten konnte ebenfalls widerlegt werden.
Die Kastration an sich ist im Übrigen ein recht kleiner Eingriff, bei Katern noch mehr als bei Katzen. Beim Kater werden lediglich die Hoden entfernt. Nach diesem Eingriff ist nicht mal ein Fädenziehen notwendig, weil die Wunde heutzutage geklebt wird. Bei der Katze bedeutet die Kastration die Entfernung beider Eierstöcke, bei Bedarf (zum Beispiel krankheitsbedingt) auch die Entfernung der Gebärmutter. In der Regel handelt es sich nur um einen ca zwei Zentimeter langen Schnitt.
Bei einer Sterilisation würden lediglich die Samen‐ beziehungsweise Eileiter durchtrennt werden, was zwar die Fortpflanzungsmöglichkeit unterbindet, nicht aber die Hormonproduktion, welche jedoch – wie bereits ausgeführt – das hauptsächliche Problem für die Tiere darstellt. Eine sterilisierte Katze wird nach wie vor rollig und kann daher auch dauerrollig werden.
Zusammenfassend gilt also: Eine Kastration sowohl bei Katern als auch bei Katzen sollte Pflicht sein, um den Tieren ein möglichst langes, gesundes und ausgeglichenes Leben zu ermöglichen. Besonders bei Freigängern ist sie so früh wie möglich durchzuführen, unbedingt jedoch vor dem ersten Freigang. Einige Tierschutzvereine fordern daher eine Kastrationspflicht für alle Freigängerkatzen. Bis zum Februar 2015 hatten bereits etwa 300 deutsche Gemeinden eine derartige Kastrationspflicht erlassen.
Weiterführende Literatur zum Thema:
Bohnert, Willa: »Frühkastration von Katzen unter Tierschutzgesichtspunkten«, Dezember 1997
Bowen, R.: »Early Sterilization in Dogs and Cats«, April 2004
Spain, Victor C. u. a.: »Long‐term risks and benefits of early‐age gonadectomy in cats«, Februar 2004
Howe, L.M.: »Short‐term results and complications of prepubertal gonadectomy in cats and dogs«, Juli 1997
Little, Susan: »Early Age Altering of Kittens«, Oktober 2004
Porters, Nathalie u. a.: »Development of behavior in adopted shelter kittens after gonadectomy performed at an early age or at a traditional age«, Mai 2014
Root Kustritz, Margaret V.: »Early spay‐neuter: clinical considerations«, August 2002
Autor: Katharina U.
Bilder: Regina Kaute/pixelio.de (Katzenmutter), Samirah S. (Katze mit Trichter)
erschienen in TierZeit – Ausgabe 12
13. Dezember 2015