Neue Wege für alteingesessene Einzelgänger
In den letzten Jahren war im Tierschutz die Einzelhaltung das Dogma der artgerechten Hamsterhaltung, aber diese Ansicht hat sich stark gewandelt. Sind alle Hamster wirklich solche strikten Einzelgänger, wie immer propagiert wird? Ihre wilden Verwandten lassen anderes vermuten: Im Gegensatz zum Dsungarischen Zwerghamster und dem Chinesischen Streifenhamster bilden der Campbell‐Zwerghamster und der Roborowski‐Zwerghamster Gemeinschaften, die weit über die gemeinsame Aufzucht der Jungtiere reichen.
Die einzigen Quellen zur Gruppenhaltung von Zwerghamstern sind derzeit Erfahrungsberichte und diese variieren je nach Art, Land und Haltung stark. In Deutschland und Umgebung gelten die Campbell‐Zwerghamster als die sozialsten Zwerghamster, gefolgt von den Roborowskis. In den USA und dem Vereinigten Königreich hingegen werden Roborowskis problemlos in größeren Gruppen gehalten, während im südlichen Europa aufgrund schlechter Erfahrungen konsequent vor Gruppenhaltung gewarnt wird. Anscheinend hängt die Sozialverträglichkeit in nicht unbedeutendem Maße von der ursprünglichen Zucht der Tiere ab. Nicht zuletzt muss bedacht werden, dass die Mindestgrundfläche in englischsprachigen Foren nur um die 0,3 Quadratmeter beträgt und unsicher ist, ob die Gruppenerfolge auf die zwanghafte Kleinraummethode zurückzuführen sind.
Zucht oder Tierschutz?
Sehr lange Zeit galten Züchter als die einzige Quelle für lange harmonierende und glückliche Gruppen. Die Argumente dafür sind schlüssig: Die Kleinen blieben so lange wie möglich bei den Eltern und konnten von ihnen das richtige Verhalten untereinander lernen. Es dauerte eine Weile, bis sich auch die Hamsterhilfen zur Abgabe von stabilen Zwerghamstergruppen entschlossen. Die Friedfertigkeit von Hamstern mag zwar in gewisser Weise angezüchtet sein, hängt aber auch vom individuellen Charakter des Tieres und seinen bisherigen Erfahrungen ab. Deswegen sind Gruppen mit Zuchttieren ebenso instabil wie Gruppen mit Tierschutztieren.
Das Einkreuzen von Wildfängen ist umstritten: Diese legen zwar – im Gegensatz zu den domestizierten Haustieren – noch ihr natürliches Sozialverhalten an den Tag, um aber den möglichen Nutzen daraus abschätzen zu können, müsste geklärt sein, wie die Zwerghamster in freier Wildbahn eigentlich leben. Von den Campbells und Roborowskis gibt es Berichte, dass die Elterntiere ihre Jungen in freier Wildbahn gemeinsam aufziehen. Meistens bleiben Weibchen aus dem ersten Wurf im gemeinsamen Nest und helfen bei der Aufzucht des nächsten Wurfes, während sich die Männchen früher oder später ein eigenes Nest suchen. Nun ist eine gegengeschlechtliche Haltung in Menschenhand – außer für Züchter – nicht realisierbar. Aus diesem Grund wurden am Anfang der Gruppenhaltung nur gleichgeschlechtliche Gruppen und Paare gehalten – aber der erhoffte Erfolg dieser Konstellation ließ auf sich warten.
Gruppenhalter berichten, dass gleichgeschlechtliche Paare oft nur bis zu einem Alter von einem halben Jahr stabil sind, dann beginnen die ersten Streitigkeiten. Die Gründe für das Auseinanderbrechen sind vielfältig und meist nicht nachvollziehbar.
Wie viel Raum brauchen die Zwerge?
Ein weiterer beliebter Diskussionspunkt ist die Gehegegröße. Anfangs wurde davor gewarnt, dass große Gehege die Revierbildung begünstigen und dadurch zwei oder mehr rivalisierende Tiere in einem Gehege leben. Nun wird genau das Gegenteil empfohlen: Das Gehege kann nicht groß genug sein, sollte durch viele Verstecke, Ausweichmöglichkeiten, Beschäftigungen und Rennstrecken so gut wie möglich strukturiert sein und pro Tier ein Laufrad enthalten. Jedes Versteck und Haus sollte mindestens zwei Eingänge haben, damit sich keine Sackgassen bilden.
Der Unterschied zwischen Campbell‐ und Roborowski‐Zwerghamstern
Ein Campbellweibchen mit einem Kastrat der gleichen Art stellt nach derzeitigen Erkenntnissen die harmonischste und stabilste Konstellation dar. Sie bauen zusammen Nester, sind häufig gemeinsam anzutreffen und begeben sich zusammen auf Futtersuche – das gesammelte Futter wird großzügig geteilt. Der Roborowski‐Zwerghamster ist dafür bekannt, bei der Partnersuche sehr wählerisch zu sein und dies trifft anscheinend nicht nur auf die Zucht, sondern auch auf die Gruppenhaltung zu. Es ist schwierig bis unmöglich, einen Partner zu finden, mit dem der Roborowski sein Leben lang zusammenwohnen kann. In fast allen Berichten ist früher oder später zu lesen, dass ein Hamster unterdrückt wurde oder nicht mehr genügend Futter bekam.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die besten Erfahrungen derzeit mit Pärchen gemacht werden. Großgruppen zerfallen früher oder später, müssen getrennt und dann unter Umständen neu vergesellschaftet werden. Die Haltung von mehreren Zwerghamstern in einem Gehege erfordert viel Fingerspitzengefühl und ist daher für Anfänger in der Hamsterhaltung nicht empfehlenswert. Das Thema Gruppenhaltung stellt für viele Halter noch ein Problem dar und zwingt dazu, über den eigenen Tellerrand zu schauen und Veränderungen zu akzeptieren. Die steigende Anzahl an Erfolgen weist aber darauf hin, dass manche Zwerghamsterarten doch keine so strikten Einzelgänger sind, wie lange Zeit vermutet wurde.
Autor: Tina B.
Bilder: Tina U.
erschienen in TierZeit Ausgabe 7
15. Dezember 2013
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