Problemfeld »Lebendtierverkauf«

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Ein Blick hinter die Kulissen der Zoohandlungen

 

In Deutsch­land leben rund 31 Mil­lio­nen Haustiere. 13 Mil­lio­nen davon sind Klein‐ und Nagetiere. Und viele von ihnen wur­den in Zoohand­lun­gen gekauft. Dies läuft in der Regel immer auf dieselbe Weise ab: Der Kunde sucht sich sein Wun­schti­er im Geschäft aus. Dann wird das Tier von einem Mitar­beit­er in ein kleines Behält­nis ver­frachtet und wech­selt gegen Bezahlung den Besitzer. Doch woher kommt die Ware »Tier« eigentlich? 

Wie jede andere Ware auch, wer­den die Tiere für den Lebendtierverkauf »pro­duziert«. Dies geschieht natür­lich nicht – wie etwa beim Fut­ter – an einem Fließband, mit automa­tisiertem Ver­pack­ungsver­fahren, aber Ähn­lichkeit­en zur Indus­trie existieren den­noch. Geschätzte 80 Prozent aller in Zoohand­lun­gen verkauften Tiere stam­men von Zucht­far­men. Diese sind haupt­säch­lich in den Nieder­lan­den ansäs­sig, doch auch in Deutsch­land und Osteu­ropa gibt es sie.

Im Aus­land sind die Hal­tungsvorschriften nicht ganz so streng wie in Deutsch­land, weshalb die Tiere im Einkauf selb­stver­ständlich gün­stiger sind. Aus diesem Grund wer­den große Zoohand­lungs­ket­ten vor­wiegend von dort beliefert. Wie die Hal­tung der Tiere im Aus­land aussieht und welche Prob­leme sie mit sich bringt, zeigen die fol­gen­den Abschnitte.
Indus­trielle Tier­pro­duk­tion

Alex S - Laktierende Maus in MakrolonboxZucht­far­men sind in der Regel große Hallen, in denen soge­nan­nte »Racks« aufgestellt sind. Bei Racks han­delt es sich um Box­en aus einem stra­pazier­fähi­gen Kun­st­stoff (meis­tens Makrolon), welche in einem fahrbaren Regal­sys­tem über‐ und nebeneinan­der inte­gri­ert sind. Diesel­ben Hal­tungssys­teme wer­den auch in Labors für die Hal­tung der Labortiere benutzt. Die Box­en, die als dauer­hafte Unter­bringung für die Tiere genutzt wer­den, gibt es in ver­schiede­nen Größen. Je nach Tier­art haben diese eine Größe von 28 auf 22 Zen­time­ter (so groß wie ein DIN‐A4‐Blatt) bis 59 auf 38 Zen­time­ter (etwas klein­er als ein DIN‐A2‐Blatt). Es sitzen jew­eils eins oder mehrere tra­gende Weibchen in diesen Box­en und brin­gen dort ihre Jungtiere zur Welt. Und dies geschieht nicht etwa in Schlafhäusern oder Nestern, denn aus hygien­is­chen und prak­tis­chen Grün­den befind­et sich in den Box­en kein Zube­hör und kein Nist­ma­te­r­i­al, son­dern lediglich Ein­streu. Die Jungtiere wer­den geboren und wach­sen – je nach Tier­art – auf 616 Quadratzen­time­ter bis 2242 Quadratzen­time­ter auf eine verkaufs­fähige Größe her­an. Makrolon­box­en stam­men aus der Labortier­hal­tung. Es gibt vier ver­schiedene Größen. Laut Her­steller misst die kle­in­ste Box (T1) 190 Quadratzen­time­ter. Dies ist so klein, dass sie in Deutsch­land prak­tisch keine Ver­wen­dung find­et – im Aus­land jedoch schon. Die Box­en der Größe T2 bis T4 sind auch auf deutschen Zucht­far­men in Gebrauch.

Die Regal­sys­teme ste­hen im besten Falle in kli­ma­tisierten Hallen, bei gle­ich­bleiben­der Tem­per­atur und Luft­feuchtigkeit. Im schlecht­esten Fall (etwa in Osteu­ropa) gibt es in den Hallen jedoch wed­er eine Kli­maan­lage noch eine Heizung. Alle Tiere, die die vorherrschen­den Tem­per­a­turen nicht über­leben, wer­den in den Büch­ern als klas­sis­ch­er Ver­lust abgeschrieben und entsorgt. Da die meis­ten Nagetiere eine große Repro­duk­tion­srate haben, fällt dies auch nicht weit­er ins Gewicht.

Das Fut­ter der Tiere beste­ht nicht ihrer Art entsprechend aus hochw­er­tigem, abwech­slungsre­ichem Fut­ter und Frisch­fut­ter, son­dern einzig aus pro­tein­re­ichen Pel­lets, die dafür sor­gen, dass die Weibchen aus­re­ichend Energie und Milch haben, um ihre Jungtiere zu säu­gen. Diese wer­den mit weni­gen Tagen (zum Beispiel bei Meer­schweinchen) oder im Alter von drei Wochen (zum Beispiel bei Far­brat­ten) viel zu früh von den Müt­tern getren­nt, welche zu dem Zeit­punkt bere­its wieder tra­gend sind. Die Jungtiere wer­den in sehr engen Trans­port­be­häl­tern zusam­mengepfer­cht und im besten Falle stunden‐, im schlimm­sten Falle tage­lang von einem Land ins andere, zu den Verkauf­sstät­ten, trans­portiert. Auf die Müt­ter wartet danach wieder der­selbe Trott: Paarung, Geburt, Aufzucht, Weg­nahme der Babys. Bis ihre Kör­p­er so aus­gezehrt sind, dass sie daran ster­ben. Dabei macht es lei­der keinen Unter­schied, ob die Tiere aus Deutsch­land stam­men oder aus dem Aus­land.

Quantität statt Qualität

Die Hygiene‐ und Hal­tungs­bes­tim­mungen der Zucht­far­men sind in jedem Land ver­schieden. In Deutsch­land sind die geset­zlichen Ansprüche sehr hoch und wer­den auch laufend kon­trol­liert (Tier­schutzge­setz, Infek­tion­ss­chutzge­setz, sowie Gutacht­en zur Hal­tung von Säugetieren vom Bun­de­samt für Ernährung und Land­wirtschaft). Doch die Far­men im Aus­land müssen sich nicht an solch strenge Aufla­gen hal­ten, daher sind Par­a­siten und hart­näck­ige Keime häu­fig ein Prob­lem. Mil­ben und Haar­linge kom­men häu­fig vor, eben­so Darm­par­a­siten. Nach einem Unfall mit einem hol­ländis­chen Klein­tier­trans­porter in Kärn­ten im Jahr 2013 wur­den bei den Tieren, die auf dem Weg zu einem Tier­markt in Ital­ien waren, beispiel­weise Leukose und sel­tene Darm­par­a­siten fest­gestellt. Anfang 2009 schlich sich in ein­er süd­deutschen Zoohand­lungs­kette eine Kuh­pock­en­in­fek­tion ein, die sich von Far­brat­ten auch auf Men­schen mit Haustier­wun­sch übertrug. Ein weit­eres Beispiel ist auch das Maus‐Mammatumorvirus (MMTV). Dabei han­delt es sich, wie der Name schon sagt, um einen Virus, der Gesäuge­tu­more bei Farb­mäusen aus­löst. Dieses Virus wird über die Mut­ter­milch über­tra­gen. Auf­grund der rück­sicht­slosen Ver­mehrung unter tierun­würdig­sten Bedin­gun­gen, gibt es heutzu­tage kaum noch Farb­mäuse in Deutsch­land, die das MMTV nicht in sich tra­gen.

Tina B.- RexhamsterDadurch, dass beim Ver­mehren der Tiere nicht auf die Vererbung geachtet oder der Nach­frage wegen ein neg­a­tives Merk­mal gefördert wird, kön­nen sich Qualzucht­gene unge­hin­dert ver­bre­it­en. So find­en sich im Han­del beispiel­sweise hun­derte von Lock­en­mäusen, die als Qualzucht­en gel­ten. Ihre (Tast-)Haare wach­sen krumm, drehen sich dadurch in Rich­tung der Augen und reizen diese oder stechen gar hinein. Im Falle der Tasthaare ver­schlechtert sich dadurch der Ori­en­tierungssinn der Tiere. Diese Lock­en­vari­anten gibt es unter anderem auch bei Rat­ten.

Qualzucht­en oder Erbkrankheit­en kom­men jedoch auch bei anderen Tieren vor, die im Lebendtierverkauf lan­den. Bei Rat­ten kann im Alter von vier bis sechs Wochen bei der Umstel­lung auf feste Nahrung ein Darm­lei­den namens Mega­colon die Folge sein. Bed­ingt durch eine Fehlen­twick­lung der Ner­ven im Darm­bere­ich ist die Peri­staltik so stark eingeschränkt, dass der Kot nicht mehr vor­wärts geschoben und aus­geschieden wer­den kann. Das führt zu einem Dar­mver­schluss, an dem die Tiere ster­ben. Bei Meer­schweinchen kommt immer mal wieder die Knochenkrankheit Osteody­s­tro­phie vor, die große Schmerzen mit sich bringt. All dies kann nur geschehen, weil die Zucht­far­men darauf aus­gelegt sind, in möglichst kurz­er Zeit, mit möglichst wenig Aufwand und Geld, möglichst viele Tiere zu pro­duzieren. Diese Pro­duk­tion wird angekurbelt, weil der Otto­nor­malver­brauch­er seine Tiere im Zoogeschäft kauft und somit eine Nach­frage her­stellt.

Was kann ich als Einzelner dagegen tun?

Nun fra­gen sich viele: Was kann ich dage­gen tun? Wie bei jed­er anderen Ware auch, bes­timmt die Nach­frage das Ange­bot. Das bedeutet, dass die Zoohand­lun­gen erst dann ihren Lebendtierverkauf aufgeben, wenn sie auf ihrer Ware sitzen bleiben, weil sie nie­mand mehr kauft. Auf den Punkt gebracht: Nur dann, wenn nie­mand mehr lebende Tiere in Zoohand­lun­gen kauft, wird dieses Tier­leid aufhören. Die Alter­na­tiv­en zum Zoohan­del sind vielfältig: Tier­heime, Tier­hil­fen und Vere­ine, pri­vate Pflegestellen, ser­iöse Züchter oder pri­vate Abgaben (etwa wegen Allergien, sozialer Prob­leme oder Aus­land­saufen­thal­ten).

Ein Umdenken der Kun­den ist in jedem Fall unumgänglich. Sich­er fällt es schw­er, einem Tier in der Zoohand­lung den Rück­en zu kehren, in das man sich bere­its ver­liebt hat. Doch soll­ten hier der Ver­stand und das Wis­sen um die Zustände auf den Zucht­far­men die Entschei­dung bes­tim­men.

Autor: Anna J.
von www.gegen-zooladenkaeufe.de
Bilder: Alex S. (lak­tierende Maus), Tina B. (Rex‐Hamster)

erschienen in TierZeit – Aus­gabe 12
13. Dezem­ber 2015

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