Vor- und Nachteile der Fluoreszenz für die Achtbeiner
Wer in einer Vollmondnacht auf einen Skorpion trifft, kann ein beeindruckendes Naturschauspiel beobachten: das Leuchten des Tieres. Mit einer Schwarzlicht‐Lampe wird derselbe Effekt erzielt. Dies ist eine außergewöhnliche Eigenschaft, die sich Menschen auf der Suche nach Skorpionen zu Nutze machen – sei es, um die Tiere gezielt aufzuspüren oder einen Kontakt mit ihnen und vor allem ihrem giftigen Stachel zu vermeiden. Doch warum leuchten Skorpione?
Im Außenskelett der Skorpione befinden sich Moleküle, die durch energiereiches, kurzwelliges Licht, wie es Schwarzlicht‐ und UV‐Lampen aussenden, angeregt werden. Als Reaktion darauf strahlen sie sichtbares Licht aus. Dieses Leuchten wird als Fluoreszenz bezeichnet. Auch der Mond reflektiert die UV‐Strahlung des Sonnenlichtes, weshalb Skorpione im Mondlicht leuchten. Forscher der University of California konnten 1999 den Stoff β‐carbolin als ein fluoreszierendes Molekül bei Kaiserskorpionen (Pandinus imperator) und dem Arizona‐Rindenskorpion (Centruroides vittatus) identifizieren.
2009 zeigte der Wissenschaftler Carl Kloock in einem Experiment, dass die fluoreszierenden Moleküle nicht nur auf UV‐Licht reagieren, sondern durch dieses auch abgebaut werden. Dauerbestrahlung kann das Leuchten der Skorpione also erheblich reduzieren. Diese Entdeckung galt als ein Meilenstein, brachte sie doch die weitere Erforschung des Phänomens bedeutend voran. Bisher war nichts Genaues über die evolutionären Vorteile des Leuchtens bekannt. Nun konnten Forscher die Fluoreszenz bei Skorpionen mithilfe häufiger Bestrahlung reduzieren und die Änderungen in ihrem Verhalten gegenüber normal leuchtenden Skorpionen dokumentieren.
Zunächst stellte Carl Kloock fest, dass Beutetiere der Skorpione in Vollmondnächten, in denen sehr viel UV‐Licht die Moleküle anregen kann, leuchtende Tiere mieden. Die Fluoreszenz hat also sogar Nachteile für die Tiere, da sie so weniger Beute machen können. Gemäß gängiger Theorie sollte die natürliche Selektion Tiere bevorzugen, die solche Nachteile umgehen können, also beispielsweise nicht mehr fluoreszieren – doch auf Skorpione trifft das nicht zu. Fünf Jahre später konnte Carl Kloock zeigen, dass Skorpione UV‐Licht wahrnehmen und ihr Verhalten anpassen, indem sie sich weniger bewegen. Forschern der University of Oklahoma gelang es sogar zu dokumentieren, dass die Wahrnehmung von Licht nicht allein über die Augen erfolgt, sondern auch von der Fluoreszenz abhängt. Wissenschaftler vermuten, dass das Leuchten unter UV‐Licht den Tieren hilft, mondhelle Nächte wahrzunehmen und eine erfolglose Jagd vermeidet: Sie gehen dann schlicht nicht auf Jagd. Die Fluoreszenz scheint den Skorpionen zwar keinen Vorteil zu bringen, aber sie haben einen Mechanismus entwickelt, um die entstehenden Nachteile auszugleichen.
Autor: Alex S.
Bild: Samirah S. (Museum für Naturkunde Berlin)
erschienen in TierZeit Ausgabe 10
14. Dezember 2014