Eingebrachter Schädling oder Schädlingsbekämpfer?
Durch seine hellgelb bis dunkelrot gefärbten Flügeldeckel und seine variable Anzahl an Punkten, die von keinem bis über 20 reicht, ist er vielen bekannt: der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis). Käfer mit sehr vielen Punkten erwecken oft den Eindruck, die Grundfarbe ihrer Flügeldeckel wäre schwarz und die Punkte rot. Der wegen seiner vielfältigen Farbvarianten auch als Harlekinkäfer bekannte Einwanderer stammt aus dem Osten Asiens und ist vor allem in China und Japan verbreitet.
Der Schädlingsbekämpfer
Bereits in den 1980er‐Jahren wurde der Asiatische Marienkäfer in Gewächshäusern einiger Länder Europas als Schädlingsbekämpfer eingesetzt, der die Pflanzen von Blattläusen und anderen Weichinsekten sowie Insekteneiern befreit. Ein einzelner Asiatischer Marienkäfer kann bis zu 250 Blattläuse am Tag fressen, wodurch er sich als wesentlich effizienter erweist als der einheimische Siebenpunkt‐Marienkäfer (Coccinella septempunctata), der gerade einmal 50 Blattläuse am Tag vertilgt.
Eine Gefahr für den einheimischen Marienkäfer?
Der Asiatische Marienkäfer weist eine enorme Anpassungsfähigkeit auf. Nachdem er aus den Gewächshäusern ausbrechen konnte, breitete er sich in Europa massiv aus und auch in Deutschland ist er im Herbst meist in Schwärmen anzutreffen. Marienkäfer gehören zu den räuberisch lebenden Käfern, sodass Kannibalismus zeitweise vorkommen kann. Finden sie keine Blattläuse, bedienen sie sich an den Larven und Eiern der einheimischen Siebenpunkt‐Marienkäfer. Während der Asiatische Marienkäfer den Verzehr der einheimischen Marienkäfer unbeschadet übersteht, stirbt der Siebenpunkt‐Marienkäfer in vielen Fällen beim Verzehr des asiatischen Einwanderers. Dies hat gleich zwei Gründe: Zum einen hat der Asiatische Marienkäfer ein stärkeres Immunsystem, welches den Körper mittels dem Protein Harmonin und einer hohen Anzahl an Peptiden schützt. Zum anderen enthalten vor allem seine Larven und Eier winzige Parasiten, die als Mikrosporidien bezeichnet werden. Wenn der einheimische Marienkäfer seine ausländische Konkurrenz frisst, gelangen Sporen dieser Parasiten in seinen eigenen Körper und befallen die Körperzellen, wodurch der Käfer schließlich stirbt. Darin zeigt sich die Besonderheit des Immunsystems des Asiatischen Marienkäfers. Durch die in ihm enthaltenen Mikrosporidien kann er seine Konkurrenz töten, er selbst ist gegen die gefährlichen Sporen resistent, sodass seine eigenen Körperzellen nicht befallen werden.
Forscher sind sich allerdings nicht einig, ob das starke Immunsystem in Verbindung mit dieser »biologischen Waffe« zur Verdrängung des Siebenpunkt‐Marienkäfers führt. Einerseits befürchten Forscher des Max‐Planck‐Institutes in Jena eine dunkle Zukunft für den einheimischen Marienkäfer, wenn die Verbreitung seiner Konkurrenz nicht eingeschränkt wird. Andererseits argumentiert der Naturschutzbund, dass es keine Anzeichen für die Ausrottung des Siebenpunkt‐Marienkäfers gebe. Vielmehr sei er mittlerweile auch in Nordamerika anzutreffen, wo er 2013 sogar häufiger vorzufinden war als der Asiatische Marienkäfer.
Fluch und Segen für den Menschen
Der Nutzen des Asiatischen Marienkäfers zeigt sich nicht nur in Gewächshäusern. Er hält sich im Herbst häufig in Weingebieten auf, in denen er Blattrebläuse frisst und damit die Rebstöcke von Schädlingen befreit. Das Besetzen der Rebstöcke hat ihm allerdings einen schlechten Ruf eingehandelt. Bei Stress oder zur Feindabwehr sondern Marienkäfer eine bitter schmeckende Flüssigkeit ab, die sogenannte Hämolymphe, die den Geschmack des Weines negativ beeinflussen kann. Schon ein mit den Trauben zusammen verarbeiteter Käfer reiche aus, um mehrere hundert Liter Wein zu ruinieren. Diesen Ruf hat er allerdings zu Unrecht allein inne. Der Naturschutzbund gibt an, dass der einheimische Siebenpunkt‐Marienkäfer nicht nur ebenso ein Geschmacksvernichter sein könne, sondern sogar einen intensiveren Fehlton im Wein erzeuge als der Asiatische Marienkäfer.
Neue Wege für die Forschung
Sein starkes Immunsystem und seine Abwehrflüssigkeit sind auch für die Forschung interessant. Der antimikrobielle Wirkstoff Harmonin der Hämolymphe zeigte sich in Laborversuchen als besonders wirksam gegen Tuberkuloseerreger und Malariaparasiten. Forscher erhoffen sich dadurch neue wirksame Medikamente gegen diese Krankheiten, deren Erreger teilweise gegen bereits vorhandene Medikamente resistent sind. Der Asiatische Marienkäfer sollte daher nicht nur als Schädling betrachtet werden. Vielmehr kann er durch sein Immunsystem und seine Aufgabe als Schädlingsbekämpfer einen großen Nutzen für die Menschheit darstellen.
Autor: Lisa M.
Bilder: Carina T. (Asiatischer Marienkäfer orange, Siebenpunkt‐Marienkäfer),
Lisa M. (Asiatischer Marienkäfer rot)
erschienen in TierZeit Ausgabe 9
24. August 2014
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