Ein Vogel zieht um

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Wie ein Federtier das Reisen empfindet

»Halt! STOPP!«, schreie ich. Aber meine Rufe wer­den kon­se­quent ignori­ert. Mit mächti­gen Sätzen fliehe ich vor der Hand, die nach mir greift. Jedoch kom­men mir immer wieder die Git­ter­stäbe in die Quere. Dann hat sie mich. Ver­dammt, jet­zt ist es aus. Unter beruhi­gen­den Worten werde ich aus dem Käfig gehoben, aber ich bin fuch­s­teufel­swild und schreie und beiße, was mein Schn­abel hergibt. Ich bin ein Adler! 

Laura E - Wellensittich in BoxIn einem kleinen Git­terkä­fig erlange ich meine Frei­heit wieder. Der Käfig ist wirk­lich sehr klein, eher eine Box. Es gibt eine Stange zum Sitzen, die sagt mir aber nicht zu. Ich wäh­le die Git­ter­stäbe über mir und hangle mich akro­batisch hin und her. Zum Glück bin ich gelenkig, son­st hätte ich manche Ver­renkung wohl nicht gemeis­tert. Die Men­schen über mir schüt­teln die Köpfe und kich­ern. Kopfüber mus­tere ich sie kri­tisch. Was soll das? Ich bin eine Fle­d­er­maus!

Dann wird meine Box mit einem Hand­tuch abgedeckt und der muf­fige Stoff versper­rt mir die Sicht. Unter großem Geschaukel wird die Box davonge­tra­gen, kurz darauf abgestellt. Es gibt einen dumpfen Knall, ein lautes Brum­men, dann fängt das Geschaukel wieder an. Gemäch­lich­er dieses Mal, aber mitunter ver­liere ich fast den Halt. Wohl oder übel wäh­le ich doch die Stange, auf der es sich zugegeben­er­weise ganz gut sitzen lässt. Außer­dem hängt dort eine Kol­ben­hirse – leck­er! Ich bin ein Viel­fraß!

Es verge­ht eine Ewigkeit, so kommt es mir vor. Bald wird mir lang­weilig und ich ver­suche ein biss­chen zu dösen. Das Geschaukel macht mich schläfrig. Mir fällt auf, dass im Hin­ter­grund angenehme Geräusche erklin­gen – Musik nen­nen es die Men­schen. Ich werde wieder ein biss­chen wach­er und wage einen Pieps. Nichts geschieht. Wovor habe ich eigentlich Angst? Ich piepse lauter. Ich brülle! Ich bin ein Löwe!

Allmäh­lich wer­den wir wieder langsamer. Ich protestiere laut­stark, als es ein wildes Gerumpel gibt, dann ist plöt­zlich alles ruhig. Kein Brum­men mehr, auch keine Musik. Ich mache keinen Pieps. Meine Box wird schaukel­nd davonge­tra­gen. Wenn diese Schaukelei nicht bald ein Ende nimmt, wird mir noch schlecht wer­den. Dann wird das Hand­tuch hochge­hoben und ich werde in einen neuen Käfig ent­lassen. Neugierig betra­chte ich meine Umge­bung. Alles ist anders und fremd, ich bin verun­sichert, was ich jet­zt tun soll. Die Men­schen sprechen beruhi­gend mit mir und lassen mich dann allein, damit ich mich aus­ruhen kann. Wahrlich, das muss ich auch! Dann höre ich ein ent­fer­ntes Rufen. Mehrere Stim­men in mein­er Sprache. Etwas in mir reagiert sofort – ich bin ein Schwarmti­er! Ich antworte laut­stark, habe Angst, dass sie mich son­st nicht hören. »Willkom­men, willkom­men! Fürchte dich nicht, bald darf­st du uns ken­nen­ler­nen!«, sagen sie. Es sind Wellen­sit­tiche, so wie ich. Endlich habe ich wieder Artgenossen um mich!

Autor: Lau­ra E.
Bild: Lau­ra E.

erschienen in TierZeit – Aus­gabe 12
13. Dezem­ber 2015

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