Rennmausvergesellschaftung

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Von Richtig und Falsch und allem dazwischen

 

Mon­golis­che Ren­n­mäuse sind dank ihrer Quirligkeit und Unkom­pliziertheit die am häu­fig­sten gehal­te­nen Ren­n­mäuse. Als soziale Tiere soll­ten sie niemals alleine, son­dern stets mit einem Part­ner gehal­ten wer­den. Allerd­ings sind sie sehr ter­ri­to­r­i­al und dulden keine fremde Artgenossen in ihrem Revi­er. Das Zusam­men­führen zweier sich unbekan­nter Ren­n­mäuse erfordert daher eine durch­dachte Verge­sellschaf­tung, für die es lei­der keine all­ge­meine Anleitung gibt.

Laura E - RennmäuseEs wer­den zwei Arten von Verge­sellschaf­tun­gen unter­schieden, die im Detail jew­eils anders durchge­führt wer­den. Eine ist der sofor­tige Direk­tkon­takt, bei dem die Tiere vorher nicht aneinan­der gewöh­nt wer­den. Diese Meth­ode sollte nur von sehr erfahre­nen Verge­sellschaftern durchge­führt wer­den, da es hier unheim­lich wichtig ist, das Sozialver­hal­ten richtig deuten und bei Bedarf ein­greifen zu kön­nen. Bei adul­ten Ren­n­mäusen ist von dieser Meth­ode abzuse­hen, die Tiere wür­den die andere Maus auf­grund des frem­den Geruchs als Geg­n­er wahrnehmen und bekämpfen. Allen­falls bei Jungtieren ist ein pos­i­tiv­er Aus­gang ein­er Direk­tverge­sellschaf­tung möglich, da diese noch keinen sehr aus­geprägten Eigengeruch haben.

Die sicherere Art zu verge­sellschaften ist die Tren­n­git­ter­meth­ode. Dabei wird ein Gehege durch ein Git­ter in zwei Hälften getren­nt und jede der Mäuse bezieht eine der Seit­en. In regelmäßigem Abstand von ein bis zwei Tagen wer­den die Seit­en getauscht. Der Sinn dieser Meth­ode ist, die Mäuse bere­its vor dem Direk­tkon­takt an den Geruch des jew­eils anderen zu gewöh­nen. Es gibt allerd­ings ver­schiedene Auf­fas­sun­gen, wie die Tren­n­git­ter­meth­ode am besten durchge­führt wird. Im Fol­gen­den wird sie so vorgestellt, wie ich sie oft­mals erfol­gre­ich einge­set­zt habe.

Ein Diskus­sion­spunkt ist der den Tieren zuste­hende Platz. All­ge­mein wird dazu ger­at­en, Verge­sellschaf­tungs­ge­hege deut­lich unter dem Min­dest­maß für die nor­male Hal­tung von einem hal­ben Quadrat­meter zu benutzen. Dabei ste­ht den Tieren nur die Fläche eines DIN‐A4‐Blattes oder gar noch weniger zur Ver­fü­gung. Auf diesem Raum sitzen sie für min­destens einige Tage und haben dazu keine Beschäf­ti­gungsmöglichkeit­en, denn für diese ist kaum Platz. Häu­fig wird von Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­den sog­ar abger­at­en. Das geringe Platzange­bot und die fehlende Ein­rich­tung wer­den damit gerecht­fer­tigt, dass die Mäuse sich miteinan­der beschäfti­gen sollen. Sie sollen keine Möglichkeit haben, sich vor­einan­der zu ver­steck­en oder sich vom anderen abzuwen­den. Tat­säch­lich scheinen erfol­gre­iche Verge­sellschaf­tun­gen diese Argu­men­ta­tion zu bestärken. Gegen­teilige Ver­suche mit einem großen Platzange­bot deut­lich über dem Min­dest­maß und mit Versteck‐ sowie Beschäf­ti­gungsmöglichkeit­en zeigen jedoch eben­falls Erfolge. Ist es über­haupt wichtig, dass die Mäuse per­ma­nent aufeinan­der­sitzen, ohne sich auch mal verkriechen zu kön­nen?

Laura E - Stressabbau im LaufradNein. Ganz im Gegen­teil ist es sog­ar eher förder­lich, wenn die Tiere sich bewe­gen und beschäfti­gen kön­nen, da sie so den Stress, dem sie durch ein fremdes Tier in ihrer Nähe aus­ge­set­zt sind, abbauen kön­nen. Akuter Platz­man­gel und die Schut­zlosigkeit durch einen fehlen­den Unter­schlupf stressen die Tiere und sind zu ver­mei­den. Zudem sind Ren­n­mäuse soziale Tiere und suchen von sich aus den Kon­takt zum anderen, auch wenn die Möglichkeit eines Rück­zugs gegeben ist. Ein­rich­tungs­ge­gen­stände haben während der Zusam­men­führung zusät­zlich den unleug­baren Vorteil, dass die Mäuse sie inten­siv zum Markieren nutzen. Das gilt vor allem für das bewohnte Ver­steck und für Sand­bäder. Beim Seit­en­tausch kann die jew­eils andere Maus den Geruch so bess­er aufnehmen, die Gerüche ver­mis­chen sich schneller und ein gemein­samer Grup­pengeruch kann leichter aus­ge­bildet wer­den.

Die Dauer der Tren­n­git­ter­phase ist indi­vidu­ell. Sie sollte min­destens ein paar Tage und max­i­mal zwei Wochen betra­gen. Die Seit­en wer­den in dieser Zeit etwa alle zwei Tage gewech­selt. Typ­is­ches kom­mu­nika­tives Ver­hal­ten am Tren­n­git­ter sind schnup­pernde Kon­tak­te, Klopfen mit den Hin­terp­foten, das Zukneifen der Augen, mitunter auch Zukehren der Bre­it­seite und gesträubtes Fell. Gemein­sames Fressen am Git­ter und die Über­nahme des Nestes der anderen Maus nach dem Seit­en­tausch sind gute Zeichen, bei­des muss aber nicht zwangsläu­fig ein­treten. Ver­suchte Beißereien durch das Git­ter oder dauer­haftes Abkehren vom anderen sind eher neg­a­tiv zu deuten. Mäuse, die sich bere­its ken­nen und nach einem Stre­it oder einem fehlgeschla­ge­nen ersten Verge­sellschaf­tungsver­such wiederverge­sellschaftet wer­den sollen, zeigen ein solch­es Ver­hal­ten eher als Mäuse, die einan­der kom­plett fremd sind.

Nach der Tren­n­git­ter­phase dür­fen die Mäuse zusam­men­ge­lassen wer­den. Da es dabei fast immer zu mehr oder weniger aus­geprägten Rangeleien kommt, muss dieser Vor­gang unbe­d­ingt gut beobachtet wer­den. Für den Not­fall soll­ten ein Hand­tuch und ein fes­ter Hand­schuh bere­itliegen, falls die Mäuse sich ver­beißen und getren­nt wer­den müssen. Für den ersten Direk­tkon­takt kann beispiel­sweise eine Trans­port­box gewählt wer­den, in der die Tiere zwar den Platz haben, sich auch ein paar Schritte voneinan­der zu ent­fer­nen, in der sie sich aber nicht in aufhet­zen­den Jag­den ver­lieren kön­nen. Die stel­len­weise emp­foh­lene Bade­wanne ist als Zusam­men­führung­sort ungeeignet, da hier zum einen zu viel Platz zum Jagen gegeben wird und die Mäuse zum anderen auf der glat­ten Ober­fläche kaum Halt find­en.

Laura E - Rennmäuse 2

Ent­ge­gen weitläu­figer Mei­n­un­gen muss der Boden, auf dem die Mäuse zusam­men­tr­e­f­fen, nicht zwin­gend neu­tral sein. Bei friedlichen Tren­n­git­ter­phasen kön­nen auch Ein­streu und somit die Gerüche bei­der Mäuse ver­wen­det wer­den.

Die Klärung der Ran­gord­nung begin­nt meist mit abwartenden Schnup­perkon­tak­ten, bei denen bei­de Mäuse regungs­los vor­einan­der ver­har­ren. Darauf auf­bauend testen sie, wer der Stärkere ist, indem sie sich gegeneinan­der lehnen und sich gegen­seit­ig weg­drück­en. Daraus kann auch ein Im‐Kreis‐Schubsen entste­hen, was dur­chaus sehr hek­tisch wer­den kann. Häu­fig wird eine Maus nach unten gedrückt und dort einen Moment fest­ge­hal­ten. Die Rangeleien kön­nen von lautem Fiepsen begleit­et sein. Diese Stre­it­ereien wech­seln nicht sel­ten mit ruhi­gen Phasen, in denen die Mäuse einan­der putzen oder miteinan­der kuscheln. Höch­ste Vor­sicht ist jedoch geboten, wenn eine Maus auf den Rück­en gewor­fen wird. Daraus entste­hen dann oft bedrohliche Kämpfe, in denen es zu ern­sten Bis­s­wun­den kom­men kann. Bildet sich ein solch­es Beißknäul, ist ein sofor­tiges Ein­greifen seit­ens des Hal­ters und eine Tren­nung der Mäuse von­nöten. Wie die Mäuse sich ver­hal­ten, ist vor allem von den Charak­teren abhängig. Je nach­dem ob die Mäuse dom­i­nant oder zurück­hal­tend, auf­dringlich oder ängstlich sind, kann eine Verge­sellschaf­tung von län­geren Stre­it­ereien geprägt sein oder auch sehr friedlich ver­laufen. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle, Stre­it­igkeit­en treten meist unab­hängig davon auf.

War der erste Direk­tkon­takt erfol­gre­ich und die Mäuse sind über einen län­geren Zeitraum hin­weg friedlich, kön­nen sie in das Gehege umziehen. Es ist rat­sam, dieses zunächst noch stark zu verklein­ern und erst nach und nach zu erweit­ern. Die Ein­rich­tung sollte erst allmäh­lich wieder ange­boten wer­den. Ein plöt­zlich­es großes Platzange­bot oder zu viele neue Ein­drücke durch Gegen­stände kön­nen die zarten Bande zwis­chen den Mäusen gefährden, sodass hier eher langsam vorzuge­hen ist. Treten Jagereien oder Schub­sereien auf, sollte der momen­tane Zus­tand so lange gehal­ten wer­den, bis die Mäuse sich wieder beruhigt haben. Im Zweifels­fall muss der auss­chlaggebende Schritt rück­gängig gemacht und zu einem späteren Zeit­punkt wieder­holt wer­den.

Laura E - Rennmäuse 3Ent­ge­gen häu­figer Gerüchte sind Mon­golis­che Ren­n­mäuse nicht beson­ders schw­er zu verge­sellschaften, der Vor­gang ist nur ziem­lich zeit­in­ten­siv. Das Klären der Ran­gord­nung sieht nicht sel­ten ziem­lich heftig aus, es gelin­gen aber deut­lich mehr Ver­suche, als dass sie scheit­ern. Selb­st erwach­sene Mäuse, die teil­weise als verge­sellschaf­tung­sun­fähig ange­priesen wer­den, lassen sich oft prob­lem­los mit neuen Part­ner­mäusen zusam­men­führen. Verge­sellschaf­tun­gen mit min­destens einem Jungti­er sind in aller Regel sehr ein­fach und wer­den deshalb häu­fig emp­fohlen – allerd­ings wird hier kaum erwäh­nt, dass die Kon­stel­la­tion mit einem Jungti­er ein größeres Risikopoten­zial birgt, als zwei adulte Tiere. Diese klären die Rang­folge inner­halb der ersten Tage und bei der Entschei­dung bleibt es dann meist auch. Jungtiere kom­men nach eini­gen Wochen, häu­fig mit etwa sechs Monat­en, in eine Art Flegel­phase, in der sie ihre Gren­zen neu austesten. Akzep­tiert die Part­ner­maus einen Machtwech­sel nicht, kann es zu hand­festen Stre­it­ereien kom­men. Mitunter sind dann Maß­nah­men wie eine vor­rüberge­hende Verkleinerung der Grund­fläche oder das Her­aus­nehmen einiger Gegen­stände nötig. Auf keinen Fall sollte eine Ren­n­maus alleine bleiben, weil sie als nicht verge­sellschaf­tungs­fähig gilt – es gibt für jeden Topf ein Deck­elchen!

Autor: Lau­ra E.
Bilder: Lau­ra E.

erschienen in TierZeit – Aus­gabe 12
13. Dezem­ber 2015

 

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