Der Hund als therapeutische Maßnahme für Menschen
In den 1970er‐Jahren wurden von dem Kinderpsychiater Boris M. Levinson die ersten wissenschaftlich fundierten Berichte darüber verfasst, wie Hunde auf Kinder mit Autismus wirken können. Seither hat der Einsatz von Tieren im therapeutischen und aktivierenden Kontext einen enormen Zuwachs erfahren. Obwohl dieser bereits bis ins achte Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgbar ist, gab es bisher noch nie eine so weite Verbreitung dieser Form der Arbeit mit Mensch und Tier wie heute.
Inzwischen gibt es eine Unzahl von Begriffen, die besonders im Bereich der Arbeit mit Hunden genutzt werden: Assistenzhunde, Servicehunde, Therapiehunde, Thera‐ piebegleithunde, Besuchs-*hunde, Schulhunde, Sozialhunde und etliche weitere. Alle Tätigkeiten und Bezeichnungen, die die Arbeit mit Mensch und Tier beinhalten, können in die Kategorien »Tiergestützte Aktivität«, »Tiergestützte Therapie« oder »Tiergestützte Serviceleistung« eingeteilt werden. Alle diese Begriffe werden unter der Bezeichnung »Tiergestützte Interventionen« zusammengefasst.
»Tiergestützte Aktivitäten« werden von Personen ohne pädagogische oder kynologische Ausbildung durchgeführt und beruhen nicht auf einem Therapieplan. Bei »Tiergestützten Therapien« werden hingegen Personen mit einer pädagogischen oder therapeutischen Ausbildung tätig, die Hunde einsetzen, um die Ziele des Therapieplanes zu erreichen. Der Begriff »Tiergestützte Serviceleistungen« findet Verwendung, wenn der Besitzer des Hundes in irgendeiner Form beeinträchtigt ist und im Alltag durch seinen Hund unterstützt wird. Ein Beispiel hierfür ist der Blindenhund. »Therapiehunde« werden für die Therapie anderer Hunde, nicht für Menschen, eingesetzt. In allen genannten Bereichen gibt es keine einheitlichen Ausbildungen. Daher ist für jemanden, der selbst in diesem Bereich tätig werden möchte, die Wahl der Ausbildungsstätte von elementarer Bedeutung.
Welche Rolle spielt die Herkunft des Hundes?
Ob ein Hund aus einer Zucht oder aus dem Tierschutz stammt, ist insofern relevant, dass Hunde aus dem Tierschutz wahre »Überraschungspakete« sein können. Wie bei den Rassen kann jedoch nicht pauschal festgelegt werden, dass es die perfekte Rasse oder Herkunft für eine bestimmte Arbeit gibt. Einige Rassen zeigen durch züchterische Eingriffe ein reduziertes Mienenspiel beziehungsweise sind körpersprachlich eingeschränkt. Gerade bei brachyzephalen Rassen – das heißt Rassen mit verkürztem Fang wie der Mops – fällt es schwer, erste feine Stressanzeichen sofort an der Mimik erkennen zu können. Ein ähnliches Problem besteht bei langhaarigen Rassen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Eigenschaften des Hundes zur Zielgruppe passen müssen. Ein ruhiger Hund kann Ruhe in eine laute Klasse bringen, ein agiler Hund Leben ins Seniorenheim.
Welcher Hund eignet sich für Tiergestützte Interventionen?
An einen Hund, der in den genannten Bereichen ausgebildet werden soll, werden folgende Anforderungen gestellt:
- Positive Grundeinstellung zum Menschen
- Offenheit für Fremdes
- Hohe Toleranzgrenze
- Gesundes Stressverhalten
- Deutliche Mimik und Körpersprache
- Keine übermäßige Schreckhaftigkeit
- Lernbereitschaft
Neben diesen Eigenschaften ist auch der frühe Kontakt mit den späteren Zielgruppen maßgeblich. Der Hund muss unter anderem mit sehr irritierenden Reizen wie schreienden, krampfenden, um sich schlagenden oder grenzüberschreitenden Menschen umgehen können, die zum Teil im Rollstuhl sitzen oder andere Hilfsmittel benötigen. Der Umgang mit Kindern muss ebenfalls geübt sein.
Was bedeutet diese Arbeit für den Hund?
Egal wie gut ausgebildet, erzogen oder sozialisiert ein Hund ist, die Arbeit mit Menschen wird immer Stressmomente beinhalten. Dies zu erkennen und beurteilen zu können, gehört zu den obersten Pflichten jedes Hundehalters, der mit seinem Hund in diesem Bereich tätig wird. Hecheln, Speicheln, Beschwichtigen, Rückzug aus der Situation, Knurren, ständiges Kratzen und Wegschauen dürfen niemals unbeachtet bleiben, sondern müssen dazu veranlassen, den Hund bei Bedarf aus der Situation zu nehmen und ihn vor Überforderung zu schützen. Ein einstündiger Einsatz ist vergleichbar mit einer intensiven Trainingsstunde, in der alle erlernten Inhalte durchgegangen werden und abrufbar sein müssen. Daher sollten Hunde nicht öfter als zwei‐ bis dreimal in der Woche aktiv arbeiten müssen, um sicherzustellen, dass sie sich ausreichend regenerieren können.
Autor: Lisa P.
Bilder: Lisa P. (Rentnerin mit Hund), Andreas B. (Hund mit Frau im Rollstuhl)
erschienen in TierZeit Ausgabe 8
27. April 2014