Sozialverhalten und Bejagung von Wildschweinen
Die Vermehrung von Wildschweinen ist ein heiß diskutiertes Thema. Die Tiere werden oft als Problem empfunden, besonders wenn sie sich in die Nähe von Wohngebieten wagen. Ebenso sind Landwirte nicht gut auf Wildschweine zu sprechen, immerhin graben sie Äcker um und verwüsten ganze Felder auf der Suche nach Nahrung.
Dem deutschen Jagdverband (DJV) zufolge ist die hohe Vermehrungsquote unter anderem auf den Wandel der Agrarlandschaft zurückzuführen: Es werde vermehrt Mais und Raps angebaut, was den Tieren Schutz und ein großes Nahrungsangebot bietet. Sabrina Servanty und einige Kollegen kamen in einer Studie aus dem Jahr 2009, welche über 20 Jahre lang dieses Problem untersuchte, zu einem anderen Ergebnis: In Gebieten, in denen ein hoher Jagddruck herrscht, sei eine wesentlich höhere Fruchtbarkeit bei den Wildschweinen zu beobachten. Das »Journal of Animal Ecology« griff diese Ergebnisse auf und fasste zusammen, dass sich scheinbar die Reproduktion in wenig bejagten Gebieten von selbst in Grenzen halte, da kein derart starker Selektionsdruck vorhanden sei.
Der DJV hingegen hält daran fest, dass die Wildschweine auch in Zukunft intensiv bejagt werden müssen, da sich sonst unter anderem Krankheiten wie die Schweinepest unter den Tieren ausbreiten könnten. Wildschweine würden sich grundsätzlich stärker als andere Tierarten vermehren. Hinzu kommt, dass die Tiere großen Schaden in der Landwirtschaft anrichten würden. Hier kommt es zum Problem für Jagdpächter, denn diese müssen unter bestimmten Voraussetzungen für den Wildschaden im Feld aufkommen.
Als Problem bei der Bejagung wird dagegen die Zerstörung der sozialen Ordnung der Rotte angeführt. Normalerweise leben Jungtiere mit der Leitbache in Familienverbänden und lernen von ihr unter anderem die Scheu vor Menschen. Wird eine Bache zu früh erlegt, habe dies Auswirkungen auf das Lernverhalten der Jungtiere. Die Scheu vor Menschen könne dadurch nicht richtig ausgeprägt werden. Dabei sollte aber auch bedacht werden, dass das vermehrte Eindringen von Menschen in den natürlichen Lebensraum des Wildschweins ebenso wie das Füttern der Tiere (bewusst oder unbewusst durch die Entsorgung von Essensabfällen) diesen Effekt begünstigen kann. Wird die Leitbache geschossen, werden die weiblichen Frischlinge meist bereits mit weniger als einem Jahr tragend. Dabei gebe es Würfe von bis zu acht Tieren, welche aufgrund des großen Futterangebotes, oft alle überleben. Dies trage wiederum zur Vermehrung der Tiere bei.
Das Thema Schwarzwild ist und bleibt ein Problem, zu dem es viele Meinungen gibt. Dass Wildschweine sich stark vermehren, wird kaum geleugnet, die Ursachen hierfür sind aber umstritten. Zudem sind hier verschiedenste Interessengruppen vertreten: Förster und Landwirte leiden unter dem hohen Wildschweinaufkommen, Jagdgegner führen dagegen an, dass Schwarzwild eben zur Natur gehöre und der Mensch sich arrangieren müsse. Eine wirkliche Alternative scheint es bisher nicht zu geben. Zwar wird zum Schutz der landwirtschaftlichen Flächen vermehrt mit Duftstoffen und Elektrozäunen gearbeitet, was das Problem der Vermehrung jedoch nicht behebt. Die Tiere sich selbst und damit der natürlichen Auslese zu überlassen, könnte, wie vom DJV angeführt, zur vermehrten Verbreitung von Krankheiten führen. Schlussendlich scheinen die Argumente beider Seiten berechtigt zu sein, eine endgültige und zufriedenstellende Lösung, die auch mit dem Naturschutz vereinbar ist, scheint aber noch nicht gefunden zu sein.
Autor: Steffi F.
Bild: Tina B.
erschienen in TierZeit Ausgabe 11
14. Juni 2015