Was bei Unfällen zu beachten ist
Schnell ist es passiert: Auf der Landstraße springt plötzlich ein Reh auf die Fahrbahn. Haben der Fahrer und das Tier Glück, kommen beide mit einem Schrecken davon. Leider bleibt es oftmals nicht dabei, ein riskantes Ausweichmanöver mit Sachschaden oder gar eine Kollision mit Verletzungs‐ oder Todesfolge des Tieres lassen sich nicht vermeiden. Doch was ist in so einer Situation zu tun? Muss ein Unfall mit einem Wildtier gemeldet werden und wenn ja, wem? Welche Reaktion ist richtig?
Statistisch gesehen
Jährlich gibt es in Deutschland mehr als 200 000 Verkehrsunfälle mit Wildtieren, wie aus den regelmäßigen Statistiken des Deutschen Jagdverbandes hervorgeht. Vor allem Rehwild fällt dem Straßenverkehr häufig zum Opfer, allein 2012/2013 kamen 198 355 Tiere zu Tode. Nicht ganz so gravierend, aber dennoch beachtlich sind die Zahlen bei Schwarzwild mit 25 161 getöteten Tieren. Dahingegen gab es 4 379 tödliche Unfälle mit Damwild und 2.869 tödliche Unfälle mit Rotwild. Die Dunkelziffer dürfte jedoch um einiges höher sein, denn nicht alle Unfälle werden gemeldet. Zudem werden nur Unfälle mit Großtieren wie Rotwild, Rehen oder Wildschweinen erfasst, kleinere Tierarten wie Hasen, Igel, Amphibien, Reptilien oder Vögel finden in der Statistik keine Berücksichtigung. Angesichts dieser hohen Zahlen wird deutlich: Es kann jeden zu jeder Zeit treffen. Gerade deshalb ist es wichtig, darauf vorbereitet zu sein, um einem verletzten Tier im Bedarfsfall helfen zu können oder gar das Begehen einer möglichen Straftat zu verhindern.
Ruhe bewahren
Grundsätzlich gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Gerade in der Nähe von Wäldern, in durch Wildwechselschilder gekennzeichneten Gebieten oder auf Straßen, deren Leitpfosten mit Wildwarnreflektoren (siehe TierZeit Ausgabe 9, Seite 26) ausgestattet sind, ist vorausschauendes Fahren und eine angepasste Geschwindigkeit umso mehr ein Muss. Doch aller Vorausschau zum Trotz lassen sich ungewollte Begegnungen mit Wildtieren leider nicht immer vermeiden. Kommt es zum Zusammenstoß, darf auf keinen Fall weitergefahren werden, da dies den Tatbestand der Fahrerflucht erfüllt und einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellt. Wer ein angefahrenes Tier findet, sollte nicht einfach vorbeifahren, sondern ebenso handeln. Zunächst ist es wichtig, Ruhe zu bewahren, denn ein verletztes Tier kann ängstlich oder panisch reagieren. Schließlich sollte die Unfallstelle und das angefahrene Tier gesichert werden. Ist das Tier verletzt, stellt sich zu Recht die Frage, ob es selbst zum Tierarzt gebracht werden darf, um ihm schnellstmöglich die womöglich lebensrettende Hilfe zukommen zu lassen. Hier gibt es einiges zu beachten, denn wird ein Tier, das dem Jagdrecht unterliegt (siehe § 2 Bundesjagdgesetz), mitgenommen, handelt es sich streng genommen um Wilderei und ist demnach verboten. Daher empfiehlt es sich, immer erst die Polizei oder die Feuerwehr über den Unfall zu informieren, um Hilfe anzufordern oder sich gegebenenfalls über die weitere Vorgehensweise aufklären zu lassen. Muss das Tier an der Unfallstelle verbleiben, darf diese bis zum Eintreffen der Rettungskräfte oder des zuständigen Revierförsters nicht verlassen werden. Außerdem sollte Abstand gehalten werden – auch bei einem vermeintlich toten Tier, das unter Umständen nur ohnmächtig ist und wieder zu Bewusstsein kommen könnte, da hier für einen selbst erhöhte Verletzungsgefahr besteht.
Wer den Schaden hat …
… fragt sich zu Recht, ob er diesen ersetzt bekommt. Meistens übernimmt die Teilkaskoversicherung den Schaden. Doch es gibt Ausnahmen. Der Versicherungsschutz gilt überwiegend nur bei Unfällen mit Haarwild. Dazu gehören nach § 2 Bundesjagdgesetz unter anderem Rotwild, Rehwild, Damwild, Füchse, Wildkaninchen oder Feldhasen. Außerdem wird in diesem Zusammenhang vielfach die Frage diskutiert, ob ausgewichen oder “draufgehalten” werden soll. Zumal das versicherungsrechtlich relevant sein kann. Denn durch ein Ausweichmanöver, bei dem ein Zusammenstoß mit dem Tier und dadurch ein Schaden verhindert werden soll, sind nicht selten dennoch Schäden am eigenen Fahrzeug oder gar Unfälle mit dem entgegenkommenden Verkehr die Folge. Deshalb sollte dies nie die bevorzugte Reaktion sein. Doch nicht immer lässt sich das vermeiden, denn entschieden werden muss oft in einem Bruchteil einer Sekunde. Hier zahlt die Teilkaskoversicherung nicht, sondern nur eine Vollkaskoversicherung. Es sei denn, das Ausweichen diente als sogenannte »Rettungsmaßnahme« – nicht für das Tier, sondern für das Fahrzeug, um einen Schaden durch einen Zusammenstoß zu verhindern. Voraussetzung ist, dass der mögliche Schaden größer sein muss als das eingegangene Schadensrisiko durch das Ausweichmanöver. Wird zum Beispiel einem Wildschwein ausgewichen, zahlt die Teilkaskoversicherung den dadurch entstandenen Schaden, bei einem Hasen oder Igel hingegen in der Regel nicht. Der Nachweis des Unfallhergangs ist dabei jedoch oft nicht einfach, sondern bedarf bestenfalls einer Zeugenaussage. Noch vor Ort sollte sich der Geschädigte eine Wildschadensbestätigung von der Polizei oder dem zuständigen Jagdpächter ausstellen lassen.
Unfälle mit Haustieren
Im Alltag passiert es leider häufig, dass nicht nur Wildtiere, sondern auch Haustiere wie Katzen oder Hunde angefahren werden. Selbst wenn am Fahrzeug kein Schaden entstanden ist, gebietet es die Moral, sich hier ebenfalls nicht einfach vom Unfallort zu entfernen, sondern dem verletzten Tier Hilfe zu leisten. Dabei muss hier äußerst vorsichtig vorgegangen werden. Denn ein unter Schock stehendes oder unter Schmerz leidendes Tier ist nicht immer berechenbar, beißt oft wild um sich. Um sich nicht selbst zu verletzen, sollten ein paar dicke Handschuhe immer im Fahrzeug griffbereit sein. Nachdem die Unfallstelle abgesichert, das verletzte Tier eventuell vorsichtig von der Fahrbahn weggebracht und auf eine Decke gelegt oder darin eingewickelt wurde, sollte unverzüglich eine fachärztliche Behandlung beim Tierarzt oder in einer Tierklinik erfolgen. Hier können zugleich anhand von einem Chip oder einer Tätowierung, wenn vorhanden, die Identität des Tieres und dessen Besitzer ermittelt werden – auch bei toten Tieren. Über Adressen und Bereitschaftsdienste gibt die Polizei Auskunft.
Neben der traurigen Tatsache, dass ein Tier durch einen Unfall verletzt oder gar getötet wurde, ist vor allem der Schadensausgleich für die Betroffenen von Bedeutung. Wer zahlt die Tierarztkosten? Wer haftet für den entstandenen Schaden am Fahrzeug? Wer ersetzt »den Wert« des Tieres? Hier regelt das Gesetz den Schadensausgleich. Laut § 833 Bürgerliches Gesetzbuch muss grundsätzlich der Halter des Tieres für den Unfallschaden aufkommen. Da Schäden schnell eine beträchtliche Höhe erreichen können, empfiehlt es sich, eine spezielle Tierhalterhaftpflichtversicherung abzuschließen. Bei kleineren, zahmen Tieren wie zum Beispiel Katzen springt meist die Privathaftpflichtversicherung ein. Wenn kein Besitzer oder Halter des Tieres ausfindig gemacht werden kann, bleibt der Geschädigte auf den Kosten sitzen. Es gibt jedoch die Möglichkeit, das Tier bei der Deutschen Tiermeldezentrale (www.tiermeldezentrale.de) oder auch beim örtlichen Tierschutzverein mit einem Foto zu melden – nicht nur, um einen eventuellen Schaden ersetzt zu bekommen, sondern vor allem, damit der Halter sein geliebtes Haustier zurückbekommt.
Richtiges Verhalten bei Unfällen mit Tieren
Bei Wildtieren:
- Anhalten, Fahrzeug sicher abstellen
- Unfallstelle und verletztes/totes Tier sichern
- Polizei oder Feuerwehr anrufen
- Warten, Tier beobachten, Abstand halten
Bei Haustieren:
- Anhalten, Fahrzeug sicher abstellen
- Unfallstelle sichern
- Tier, wenn möglich, von der Straße entfernen, und versuchen Weglaufen zu verhindern; sonst auf der Fahrbahn sichern
- a) totes oder leicht verletztes Tier in einer Wohngegend: bei Anwohnern klingeln, um Besitzer ausfindig zu machen; falls nicht möglich zum Tierarzt fahren (in einer Box/einem Karton), um Tier zu behandeln oder zum Chip auslesen
b) Unfall außerorts, nachts oder Tier schwer verletzt: Polizei informieren, Tier vorsichtig ins Auto bringen, zum Tierarzt fahren
Autor: Susann S.
Bilder: Alex S. (Frosch), Jacqueline G. (Hund)
erschienen in TierZeit Ausgabe 11
14. Juni 2015