Wie ein Laborbeagle ins Leben fand
In wenigen Tagen wird mein Hund Yoshi bereits zehn Jahre alt. Er führt ein gewöhnliches Hundeleben, liebt es, mit seiner besten Freundin Luzie – meinem Ersthund – um die Häuser zu ziehen und schläft nachts ganz nah bei Frauchen im Bett. Und selbstverständlich sind die Portionen im Napf immer viel zu klein. Alles ganz normal eben. Aufgewachsen ist Yoshi jedoch als Versuchshund in einem Labor, bis er nach eineinhalb Jahren seinen »Dienst« quittieren und endlich ein normaler Hund werden durfte.
»Sie braucht Gesellschaft«, mit dieser einfachen Überlegung begann die Suche nach einem Partner für Hündin Luzie. Ein Hund aus dem Tierheim oder vielleicht doch einer aus Spanien? Die Recherche im Internet führte uns jedoch zu einer Gruppe von Hunden, an die angehende Hundehalter auf der Suche nach einem Vierbeiner wohl leider viel zu selten denken – ehemalige Versuchshunde. Wir nahmen Kontakt zum Tierschutz auf und bald ergab sich ein Besuchstermin, bei dem wir sehr freundlich von einer kleinen Gruppe Beagle‐Damen empfangen wurden. Alles Laborhunde, wurde uns mitgeteilt, und fast alle auf der Suche nach einer eigenen Familie. Keine leichte Entscheidung, hätten da nicht am Ende eines langen, dunklen Flures aus einem düsteren Zimmer zwei große Augen um die Ecke geschaut.
»Und was ist mit dem dort?«
Der Auserwählte war erst am Abend zuvor aus dem Labor gekommen und von der Situation noch nicht völlig überzeugt. Gemeinsam mit dem Rudel ging es auf eine erste Kennenlernrunde und dann sollten wir noch eine Nacht darüber schlafen. Nichts da! Yoshi, was übrigens „Glück“ bedeutet, durfte nach einiger Überzeugungsarbeit direkt mit zu seiner neuen Familie. Natürlich könnte ich hier behaupten, dass alles direkt wunderbar lief, aber die ersten Nächte waren schlaflos und die Pfützen, die so ein Hund hinterlässt, nicht gerade klein. Yoshi war mit seinen eineinhalb Jahren wie ein 18 Kilogramm schwerer Welpe, der alles noch lernen musste. So wurde zum Beispiel der erste Brocken Hundefutter gelutscht und immer wieder ausgespuckt, bis er vollständig verschwand und auch draußen war alles neu und angsteinflößend. Schnell aber verstand Yoshi, dass seine neuen Menschen ihm nichts Böses wollen. Luzie zeigte ihm schnell, dass selbst die lautesten Geräusche keine Gefahr bedeuten.
Wie mit einem Welpen gab es viele »erste« Erlebnisse, die für uns noch zusätzlich an Bedeutung gewannen, weil der Hund so lange darauf warten musste. Ich werde sicherlich nie vergessen, wie Yoshi das erste Mal gerannt ist. Nur ein paar Sprünge, Verwunderung über diese ungewohnte Bewegung und dann wollte er den restlichen Spaziergang gar nicht mehr langsamer fortsetzen. Er rennt heute noch für sein Leben gern, am liebsten im Hundeauslauf. Nie zu weit von seinen Leuten und Freundin Luzie weg, das versteht sich von selbst. Auch sonst ist ihm die Nähe zu seiner Familie sehr wichtig. Gemeinsam lässt sich selbst der unangenehmste Tierarztbesuch überstehen. Zum Arzt geht es übrigens regelmäßig, denn aus Yoshis Laborzeit begleitet ihn bis heute ein Keim im Ohr, der trotz intensiver Behandlung nicht verschwinden will. Einzig dieses kleine Ärgernis erinnert uns von Zeit zu Zeit an Yoshis erstes Leben, jetzt ist er nur noch Hund. Oder vielmehr: endlich Hund.
Autor: Steffi H.
Bilder: Steffi H.
erschienen in TierZeit Ausgabe 5
14. April 2013
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