Systematik, Vorkommen und Lebensraum
Der Bartgeier ist ein Greifvogel aus der Familie der Habichtartigen und gehört zu den Altweltgeiern. Es sind zwei Unterarten bekannt: Der Gypaetus barbatus barbatus ist in Ost‐ und Mitteleuropa sowie in Südwest‐ und Zentralasien beheimatet, der kleinere Gypaetus barbatus meridionalis in Ostafrika und Arabien. Beide Unterarten besiedeln Gebirgslandschaften oberhalb der Baumgrenze.
Erscheinungsbild
Der große Greifvogel erreicht eine Flügelspannweite von bis zu 2,90 Meter und ein Gewicht von fünf bis sieben Kilogramm. Das Gefieder ist auf der Oberseite kontrastreich grauschwarz gefärbt. An Kopf, Hals und Unterseite ist es weiß bis rostrot gefärbt. Das Gesicht ziert eine schwarze Maske, die am Kinn in borstenartigen Federn endet. Dieser »Bart« brachte dem Bartgeier seinen Namen ein. Auffällig sind außerdem die roten Augenringe. Jungtiere haben ein dunkles Gefieder und sind erst im Alter von sieben Jahren vollständig ausgefärbt. Der Bartgeier hat lange, schmale Flügel und einen keilförmigen Schwanz.
Verhalten
Bartgeier leben einzeln oder in Paaren. Adulte Tiere sind standorttreu und verteidigen ihr Revier gegen Artgenossen. Fremde Jungtiere im Jugendkleid werden jedoch geduldet. Die Federn des Bartgeiers sind eigentlich weiß, doch die Tiere »schminken« sich in eisenoxidhaltigen Schlammpfützen, wodurch die rötliche Färbung entsteht. Die Gründe für dieses Verhalten sind bisher unbekannt.
Fortpflanzung
Bartgeier werden mit fünf bis sieben Jahren geschlechtsreif. Die Balz erfolgt im Flug und besteht abwechselnd aus Verfolgungsjagden und Synchronflügen. Bartgeier brüten in gegengeschlechtlichen Paaren, doch auch gemischte Trios kommen vor. Der Horst wird in hochgelegenen Felsnischen gebaut und mehrere Jahre genutzt. Das Weibchen bebrütet zwei Eier, doch aufgrund des knappen Nahrungsangebotes wird nur das stärkere Jungtier großgezogen. Die Küken schlüpfen im Frühjahr, wenn die Schneeschmelze viele Tierkadaver freilegt und die Nahrungsbeschaffung leicht fällt. Die Jungvögel fliegen nach vier Monaten aus und unternehmen in den ersten Lebensjahren ausgedehnte Wanderflüge.
Lebenserwartung
Im Freiland erreichen Bartgeier ein Alter von 30 bis 35 Jahren, in Gefangenschaft können sie bis zu 50 Jahre alt werden.
Ernährung
Der Bartgeier ist ein Aasfresser, der sich bis zu 90 Prozent von Knochen ernährt. Diese schluckt er bis zu einer Länge von 18 Zentimeter am Stück. Größere Knochen werden aus weiter Höhe gezielt auf felsigen Untergrund, sogenannte »Knochenschmieden«, fallen gelassen, um sie zu zerkleinern. Die Küken werden mit Fleisch gefüttert.
Gefährdung
Durch seinen Ruf als »Lämmergeier«, der durch den Aberglauben entstand, er würde Lämmer und kleine Kinder erbeuten, wurde der Bartgeier in Mitteleuropa beinahe ausgerottet. Nach erfolgreicher Wiederansiedlung sind die Vögel nun vor allem durch Bleivergiftungen gefährdet, die entstehen, wenn mit Bleimunition geschossene Tiere gefressen werden.
Autor: Laura E.
Bild: Laura E.
erschienen in TierZeit Ausgabe 8
27. April 2014
zum Weiterlesen:
Der Bartgeier — Vom Aberglauben fast ausgerottet